Dr. Rudolf Wran 
2. April 2003                                                                                                 
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Pro Memoria zum Projekt
"Haus der Geschichte"


I. Rechtsform

Den Interessen einer offenen Bürgergesellschaft als Destinatar der in Aussicht genommenen Forschungsstätte trägt m. E. am besten die Rechtsform einer Stiftung Rechnung. Die Vorteile dieses wohl klassischen Regelungsinstrumentes (vor allem) kultureller Institutionen liegen in deren Beschaffenheit als eigentümerloses Zweckvermögen und in der damit verbundenen weitgehenden Unabhängigkeit; weiters in der Endgültigkeit und damit Unabänderbarkeit des in der Stiftung "erstarrten" Willens des (der) Stifter(s).

Aufgrund dieser Eigenschaften sowie weiterer Vorzüge auch steuerrechtlicher Natur wäre m. E. einer Stiftung gegenüber anderen Konstruktionen des Zivilrechtes bei der Schaffung einer aufgabenadäquaten Errichtungs- u. Betriebsorganisation der Vorzug zu geben. Angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen und personellen Parameter dieser Institution, die die Dimension einer "mittleren Gesellschaft" i. S. des HGB aufweist, möge man bedenken, welch hohe Anforderungen an die Qualifikation, das Engagement und die Haftung der künftigen Sachwalter zu stellen sein werden.

Es wäre evtl. auch eine Stufenlösung solcherart denkbar, dass in der Pionierphase mit einem Verein begonnen und in der Folge im Zusammenhang mit einer etwaigen gesetzlichen Regelung (siehe P.VII.) eine stiftungsrechtliche Konstruktion gewählt wird. Ich gebe aber einer sofortigen Lösung als Stiftung den Vorzug.

In Erwägung zu ziehen wäre auch eine Lösung als Anstalt (im Rechtssinne) oder eine gesellschaftsrechtliche Lösung. Da es sich aber ausdrücklich um keine staatliche Organisation handeln soll, die letzteren Lösungen aber die öffentliche Hand als Eigner der Institution voraussetzen, käme eine Konstruktion als Anstalt oder als GesmbH /AG nicht in Betracht.

Das Stiftungsmodell wurde in jüngster Zeit erfolgreich etwa beim Museum Leopold oder bei der "Frederic und Lilian Kiesler-Privatstiftung" in die Tat umgesetzt. Für den Bund als Stifter wäre allerdings nach Meinung des BMF eine gesetzliche Regelung erforderlich.

II. Einordnung im Rahmen der Kulturinstitutionen


Das Bundesmuseen-Gesetz 1998 i.d.F. BGBl I Nr. 14 /2002 enthält erstmalig eine Legaldefinition des Begriffes "Museum" (§ 2 Abs. 1 leg. cit.) sowie im § 4 einen Aufgabenkanon, der in Kurzform "Sammeln-Bewahren-Erschliessen (Präsentieren und Forschen)" lautet. So betrachtet gelangt der Gefertigte zur Ansicht, dass beim gegenständlichen  Projekt sicherlich Spuren von Musealität vorhanden sind, dass sich diese aber mangels Sammlungstätigkeit und kustodischer Aktivitäten beinahe ausschließlich auf Forschungstätigkeit beschränken. Prof. Waidacher stellt dem Begriff "Museum" i.e.S. jene Institutionen gegenüber, bei denen das authentische Sammlungsobjekt vollständig oder überwiegend verschwindet oder deren Grundfunktion aus Studien, Vorträgen oder Vorführungen besteht. Als derartige Institutionen, die er als "paramuseale oder verwandte Institutionen" bezeichnet, führt er unter anderem an: Kunsthallen, Planetarien, Wissenschafts- und Technologiezentren sowie Entwicklungen, von denen noch keine adäquaten deutsche Begriffe bestehen, wie "Theme-Park", "Heritage Interpretation Centre", "Urban Studies Centre" (Waidacher Friedrich, Handbuch der Allgemeinen Museologie, Böhlau Verlag, Zweite Auflage, 1996, S. 292 ff.).

Die Frage ob und inwieweit das gegenständliche Projekt als Museum anzusehen ist (oder nicht), ist nicht nur museologisch-theoretischer Natur. Sie ist wichtig für die Frage, in die Ingerenz welches Ministeriums das Projekt fallen soll ("Heimatressort"). In das Budget dieses Ressorts fielen die nach meiner Ansicht unvermeidlichen "Ermessenskredite" (siehe P.VII.) sowie die legistische Vorbereitung eines etwaigen Organisationsgesetzes (siehe gleichfalls P.VII.).

III. Historischer Zeitrahmen

Der dem Kurierbericht zu entnehmenden Absicht, den Bogen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart zu spannen, wird beigepflichtet, wiewohl dann die Bezeichnung "Forschungsstätte für Zeitgeschichte" zu eng wäre und um "Neuere Geschichte" ergänzt werden müsste.

Die Ereignisse des Jahres 1804 erscheinen mir als spätest  möglicher Beginn des Zeitrahmen des Projektes. Die Einbeziehung des 19. Jahrhunderts. ist nötig, um die Unauflösbarkeit des Widerspruchs zwischen dem einen Teil des "Deutschen Bundes" bildenden Österreich der Donaumonarchie und jenem als Nukleus einen Vielvölkergebildes darzustellen, eines Widerspruchs, den auch der Ausgleich 1867 nicht zu lösen vermochte, sondern im Gegenteil den Zerfall der Monarchie maßgeblich beschleunigte. Jedenfalls soll aber auch das 
19. Jahrhundert keine starre Schranke für die Forschungstätigkeit darstellen. 
Relevante Bezüge auf frühere Zeiträume sollen selbstredend möglich sein.

IV. Leitgedanke

Es wird empfohlen, ein griffiges "Mission Statement" mit mehreren Sätzen auszuarbeiten, das die grundsätzlichen Ziele der Institution zum Ausdruck bringt. Hat sich beim Museumsquartier als Auslegungshilfe, gleichsam als dessen Magna Carta, sehr bewährt.

V. Integratives Projekt

Bau- bzw. Revitalisierungsprojekte im öffentlichen Raum sehen sich heutzutage in steigendem Maße mit großen Schwierigkeiten und Widerstand von verschiedenen Seiten konfrontiert und sind immer schwerer "durchzubringen". So gesehen grenzt das "happy end" des Museumsquartiers an ein Wunder. Es muss daher getrachtet werden, durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit alle relevanten Kräfte der Bürgergesellschaft einzubinden bzw. ihr Wohlwollen zu erringen. Heranzutreten wäre an Gebietskörperschaften und parastatale Verbände ebenso wie an Religionsgemeinschaften, ÖNB, den ORF, ethnische Minderheiten, private Institutionen und Einzelpersonen. Für das Museumsquartier war die rechtzeitige und intensive Mitarbeit der Stadt Wien von ausschlaggebender Bedeutung für den mittlerweile eingetretenen Erfolg.

VI. Standort und bauliche Lösung

Interessanterweise wird in der bisherigen Diskussion ausschließlich von einem Standort in Wien ausgegangen, obwohl ein gewisses föderalistisches Unbehagen aufkeimen dürfte. Es darf auch darauf hingewiesen werden, dass ein ähnliches Projekt, nämlich der "Verein österreichischer Kultur" in Eisenstadt, freilich mit geringerem Anspruchsniveau ausgestattet, bereits vor etwa zehn Jahren recht gut unterwegs war und nur deswegen zum Erliegen kam, weil Bürgermeister A. Schwarz seinerzeit Minister Busek überredete, ihm das Museumsgebäude in der Haydngasse (ein Bundesgebäude) für die neu zu errichtende Fachhochschule "für ein paar Jahre" zu überlassen. In der Folge erlahmte der Elan und ist das Projekt sanft entschlummert.

Wenn also füglich in realistischer Sicht von einem Standort in Wien auszugehen ist, muss gleichzeitig unter Verweis auf einschlägige Untersuchungen vor einem Standort an der Peripherie (z.B. Donauplatte) gewarnt werden. Eine Studie zum Thema "Guggenheim in Wien" kam zum Schluss, dass ein Standort an der Peripherie nur mit einem Fünftel der Besucherzahlen eines zentralen Standortes rechnen könnte.

Für einen Kulturbau mit seinen sehr spezifischen Anforderungen muss gelten, dass die Architektur eine Funktion des Inhaltes zu sein hat und nicht umgekehrt. Revitalisierungen kommen erfahrungsgemäß immer teurer als Neubauten. Der zur Debatte gestellte "Neubau an einem neuen Platz als Symbol für die Neue Republik" hat für mich etwas Bestechendes. (vgl. auch die bauliche Lösung in Bonn), wenngleich er nicht mit dem ungeteilten Beifall der Direktoren der in Wien ansässigen Kulturinstitutionen würde rechnen können.

VII. Finanzplanung

Ein Mix von privater und öffentlicher Seite ist die einzige Möglichkeit zur Erreichung des Zieles. Der Grundsatz "möglichst wenig öffentliche Mittel in Anspruch nehmen, möglichst viel Privatmittel lukrieren" kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wiener Platz für Sponsoren stark ausgereizt ist, sodass insgesamt nur mit einem bescheidenen Ertrag an Subsidien von privater Seite gerechnet werden kann. Daran vermag auch der bemerkenswerte Erfolg Dir. Schröders von der Albertina nicht ändern, der erstmals auch private Mäzene auftrieb, die den Baubereich (!) zu unterstützen bereit sind. Der Löwenanteil für Errichtung und Betrieb -man mache sich nichts vor- wird von jenen Gebietskörperschaften und sonstigen öffentlichen Institutionen aufzubringen sein, die zur Mitarbeit als Stifter bzw. Förderer motiviert werden können. Wichtig wird hierbei sein, der Öffentlichkeit klar zu machen, dass der Institution ungeachtet dieser Förderungstätigkeit ihre Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Dass derartiges möglich ist, beweisen die von mir genannten Stiftungen (Leopold und Kiesler), die klaglos funktionieren und sich ohne Einflussnahme von außen auf ihre Aufgaben konzentrieren.

Das Haus der Geschichte müsste seinem Rechtsträger von den vorerwähnten Stiftern und Förderern in Gestalt eines (neuerrichteten oder revitalisierten) Bauwerkes schlüsselfertig übergeben werden. Auch für die Betriebskosten, soweit sie nicht durch Einnahmen aus der Tätigkeit der Institution gedeckt werden können, müssten vom vorerwähnten Kreis von Förderern vorgesorgt werden. Ob alle diese Vorgänge ohne eine gesetzliche Regelung bewältigt werden können, bedarf näherer Untersuchung, vor allem aber des politischen Willens aller Richtungen. Daher ist eine integrative Grundeinstellung im Sinne des P.V. eine unverzichtbare Voraussetzung für das Gelingen dieses Projektes.

VIII. Zusammenfassung


1. Rechtsform der Stiftung ist wegen weitgehender Unabhängigkeit und Unabänderbarkeit der Entscheidungen allen anderen Konstruktionen des Zivilrechts überlegen; eventuelle Stufenlösung: in der Pionierphase Verein, in der Folge Stiftung.

2. Die gegenständliche Institution ist nach Prof. Waidacher museologisch als "paramuseale oder verwandte Institution" einzuordnen. Dies ist wesentlich für die Frage, in die Ingerenz welchen Ministeriums das Projekt fallen soll.

3. Historischer Zeitrahmen sollte 19. Jahrhundert bis Gegenwart umfassen; Bezeichnung "Forschungsstätte für Zeitgeschichte" demzufolge zu eng.

4. Griffiges "Mission Statement" (Magna Carta) als Positionierung und Auslegungshilfe zweckmäßig.

5. Integratives Projekt: Sämtliche relevanten Kräfte der Bürgergesellschaft sind einzubinden bzw. ihr Wohlwollen zu erringen. Kooperation mit der Stadt Wien erfahrungsgemäß von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. Museumsquartier).

6. Nur Standort Wien realistisch; Peripherie meiden; Architektur hat eine Funktion des Inhaltes zu sein und nicht umgekehrt; Revitalisierungen erfahrungsgemäß meist teurer als Neubauten.

7. Finanzierung der Errichtung und des Betriebes als Mix privater und öffentlicher Subsidien. Das Konsortium privater und öffentlicher Stifter und Förderer müsste dem Rechtsträger das Haus der Geschichte in Gestalt eines (neuerrichteten oder revitalisierten) Bauwerkes schlüsselfertig übergeben und außerdem den durch eigene Einnahmen nicht bedeckbaren Abgang decken. Vermutlich gesetzliche Regelung erforderlich.
                                                                                                                    
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