Die Sicherung von Wiesenthals Werk -
die Holocaust-Leugner wollen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung unterminieren.


Es hört nie auf. Immer wieder aufs Neue finden sich nicht unbedeutende Leute, die den Holocaust leugnen, bagatellisieren und versuchen, die Wahrheit schlicht und einfach umzudrehen. Bei der Feier der von der Republik mit Presseförderung bedachten Zeitschrift Zur Zeit des FPÖ-Mandatars Mölzer war es wieder so weit (siehe Kommentar>). Dass der Täter weit über 80 ist, tut nichts zur Sache. Er durfte erst vor wenigen Monaten seine geschickt verklausulierte Gesinnung in einem prominenten Gastkommentar im Republik-Organ Wiener Zeitung absondern. Er bekam ein Forum, das von vielen, auch vielen jungen als seriös empfunden werden musste.


Das ist, um es noch einmal zu wiederholen, nicht „Meinungsfreiheit“ oder die Irreleitung von ein paar „Narren“, sondern ein gezielter Versuch, die Demokratie zu untergraben. Wer behauptet, das schlimmste Verbrecherregime unserer Geschichte sei eh nicht so arg gewesen und das müsse man doch sagen dürfen, will damit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung unterminieren. Und die Demokratie darf nicht so dumm und lax sein, sich gegen ihre Todfeinde nicht wehren zu wollen.

Ein Mann, der zeitlebens daran gearbeitet hat, die konkrete Wahrheit über die Vernichtung der europäischen Juden in ihrer ganz konkreten, personalisierten Form aufzuarbeiten, war der verstorbene Simon Wiesenthal. Er „jagte“ nicht nur die Nazi-Massenmörder, sondern er dokumentierte auch über Jahrzehnte hinweg die vieltausendfache Verstrickung „ganz normaler“ Deutscher und Österreicher in eine immer noch unfassbare industriell-bürokratische Massenvernichtung. Am Holocaust waren im Deutschen Reich an die 300.000 Personen direkt beteiligt. In den kargen Wiener Räumlichkeiten Wiesenthals waren viele davon dokumentiert. Er hinterließ rund 8000 – weitgehend ungeordnete – Akten zu NS-Tätern und NS-Verbrechen. Sie enthalten seine Korrespondenz mit Justiz- und Dokumentationsstellen, NS-Dokumente, Zeugenaussagen und Presseberichte.

Es soll nun ein „Wiener Wiesenthal-Institut für Holocauststudien“ errichtet werden, das dieses Material aufarbeitet und als Basis für weitere Forschung benutzt. Die Proponenten – zumeist Zeithistoriker – haben die Zusage der Israelitischen Kultusgemeinde, ein Haus am Wiener Rabensteig für diesen Zweck adaptieren zu können. Was sie brauchen ist Geld, unter anderem von der Regierung. Das Institut würde rund zehn Millionen Euro zur Errichtung und zwei bis drei Millionen Euro jährlich für die Betriebskosten benötigen.

Wie ein Proponent, der bekannte Wissenschafter Anton Pelinka, es formuliert, sind weder Gusenbauer und Molterer dagegen, haben aber auch noch praktisch nichts Konkretes dafür unternommen. Pelinka: „Es gibt aber keinen Grund mehr, es hinauszuzögern.“

Ein Grund für die Zurückhaltung könnten die koalitionären Pläne für ein (ungleich aufwändigeres) „Haus der Geschichte der Republik Österreich“ sein, die auch sehr langsam in die Gänge kommen (DER STANDARD 25. und 27.10.). Aber die Republik müsste sich beides leisten können, das Erbe Wiesenthals verlangt es geradezu. Simon Wiesenthal war ungeheuer geduldig, sowohl bei seiner „Jagd“, wie beim Ertragen der schrecklichen Nachlässigkeit ja des Widerwillens, mit der Österreich die NS-Verbrechen „aufarbeitete“.

Er machte weiter, sammelte und bewahrte, „damit nicht vergessen wird“. Erst jetzt begreift man, dass sein Werk fast mehr in der Dokumentation des Ungeheuerlichen bestand als in der Verfolgung. Seine Arbeit muss gesichert werden. 

(Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.11.2007)