Wiesenthal-Zentrum: Bitte weiter warten

03.07.2007 | 20:09 | RAINER NOWAK (Die Presse)

Finanzierungsverhandlungen ziehen sich. Ein Ministerratsbeschluss innerhalb weniger Tage sei terminlich nur schwer möglich.

Die Euphorie war dann vielleicht doch zu vorschnell: Dass der Beschluss beziehungsweise die Zusage der Bundesregierung für die Finanzierung eines eigenen Wiesenthal-Zentrums noch vor der Sommerpause im Ministerrat kommende Woche fällt, sei doch äußerst unwahrscheinlich, war am Dienstagnachmittag im Bundeskanzleramt zu erfahren. Dabei hatte Ingo Zechner, Leiter der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), kurz zuvor bei einer Pressekonferenz noch freudig erklärt, dass es klare Zusagen für die Finanzierung gebe. Doch offenbar waren die doch etwas vage. Und mündlich. Ein Ministerratsbeschluss innerhalb weniger Tage wäre terminlich ohnehin nur schwer möglich. 

Kein „Nein“, aber Klärung der Details

Allerdings heißt es im Kanzleramt auch, dass zu dem Projekt sicher niemand „Nein“ sage, weder der Kanzler noch der VP-Partner in Gestalt von Finanzminister Wilhelm Molterer. Nur müssten erst Details der Aufbringung und Verwendung von rund zehn Millionen Euro Baukosten und jährlichen 2,5 Millionen für den Vollbetrieb geklärt werden. Im Kanzleramt wird ein Stufenplan für Renovierung und Ausbau des Gebäudes am Wiener Rabensteig vorgeschlagen.

Seit Jahren fordert IKG-Chef Ariel Muzicant, in Wien ein Shoa-Forschungszentrum zu errichten. Der verstorbene Simon Wiesenthal war zumindest in der Ideenphase involviert. Seither hat es zwar immer Gespräche gegeben, die Finanzierung hing bis zuletzt in der Luft. Vertreter des Wiesenthal-Centers in L.A. drohten sogar mit der Überführung der Dokumente, die das Wiener Zentrum beherbergen soll: rund 8000 Dokumente des Nazijägers. Dazu soll nun nach dem Wunsch der IKG ihr umfangreiches Archiv kommen, auf einen Teil waren IKG-Mitarbeiter zufällig im Jahr 2000 gestoßen: In einem Zinshaus wurden zahlreiche Dokumente der Gemeinde gefunden, die nicht nur aus der Zeit nach 1945, sondern auch aus dem 19.Jahrhundert stammten. Die bereits archivierten Teile der gesamten Sammlung sind ab sofort in der Ausstellung „Achtung Baustelle“ im Jüdischen Museum zu sehen. Offiziell begründet wurde diese Sammlung 1816, die ältesten Dokumente stammen aus dem 17.Jahrhundert.

Auch eine andere zeitgeschichtliche Einrichtung wird nicht wie kolportiert in der kommenden Woche politisch abgesegnet: Das sogenannte „Haus der Geschichte“ wird weiterhin nur diskutiert. Der Bericht der damit beschäftigten Arbeitsgruppe unter Leitung von Günter Düriegl wurde vorgelegt, nun soll er noch von einer „internationalen Expertengruppe“ geprüft werden, heißt es im Bundeskanzleramt. Fixiert wird hingegen die Abhaltung einer Einzelausstellung: 90 Jahre Republik wird im kommenden Jahr am 12.November gefeiert. Das beschließt der Ministerrat schon jetzt.

WIESENTHALS ERBE: Archiv
Nazijäger Simon Wiesenthal hinterließ 8000 Dokumente; sie sollen im neuen Zentrum archiviert werden.„Ordnung muss sein.“ Ausstellung im Jüdischen Museum zeigt Stücke aus dem Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde. Auch diese könnten ins Zentrum kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2007)