Seipel – Der Peymann der
Museumswelt – Die Presse, 9.4.2003 von M. Fleischhacker, Norbert Mayer Die Presse: Guten Morgen, Herr Direktor. Wilfried Seipel: Sie tun mir weh mit Ihrer Feststellung, dass die volle Rechtsfähigkeit der Museen letztlich nur eine Umschreibung für Subvention ist. Das stimmt nicht. Die Subvention ist natürlich gegeben, aber sie betrifft ja bei weitem nicht den gesamten Museumsbetrieb, sondern beim Kunsthistorischen Museum maximal 65 Prozent. 35 Prozent ist wirklich freie Marktwirtschaft: Eintrittsgelder, Vermietungen, Verpachtungen, Ausstellungsweitergabe und Sponsorengelder. Da aber die Subvention, diese Bundestangente, auf der Basis 1997 festgeschrieben ist und es keine Wertanpassung gibt, kommen wir früher oder später in die roten Zahlen. Spätestens für 2004 ist das zu erwarten. Die Eigenmittel liegen weit unter 50 Prozent. Insofern ist der Hinweis auf den eingeschränkten Freien Markt doch berechtigt? Seipel: Der freie Markt betrifft die 35 Prozent. Und um die kämpfen wir. Wenn ich die nicht erreiche, wenn durch den Krieg die Fernreisenden ausbleiben, bricht uns natürlich die Besucherstruktur zusammen. Die 35 Prozent sind übrigens sehr hoch, wenn Sie in die Bundesrepublik schauen - die kommen nicht über 10, 12 Prozent. Ist also das Gesetz schlecht? Seipel: Das ist ein wunderbares Gesetz. Und die fehlende Wertanpassung? Seipel: Als wir begonnen haben, waren die Personalkosten bei 47 Prozent. Das Gesetz ist insofern schlecht, als es keine Wertanpassung gibt. Und das ist der große Fehler- wie bei den Bundestheatern. Wir haben Miet-Steigerungen von über fünf Prozent und Personalkosten-Steigerungen, von 20 Prozent, auf fünf Jahre gerechnet. Wahrscheinlich hat der Gesetzgeber darauf vertraut, dass die Eigenfinanzierungsquoten so stark steigen, aufgrund der Tüchtigkeit seiner Direktoren? Seipel: Ich kann die Eintrittsgelder nicht beliebig steigern. Wir sind jetzt bei neun Euro. Außerdem gibt es bei einer Stadt, die nur 1,8 Millionen Einwohner und immer dasselbe Touristen-Umfeld hat, keine Möglichkeit, noch mehr herauszuholen. Um dieses Geld konkurrieren Sie auf dem Freien Markt. Und Sie haben ja einen mächtigen Mitbewerber seit kurzem. Die Albertina. Macht sich das bemerkbar? Seipel: Wir haben zur Zeit außer den sehr schönen Steinschnitten kein spektakuläres, für eine größere Menge interessierendes Ausstellungsprogramm hier im Haupthaus. Deswegen sind die Besucher zurückgegangen. Aber das ist ganz normal. Ich würde da nicht auf die Albertina zielen. Es wird bei uns natürlich mit der Ferdinand-Ausstellung wieder nach oben gehen. Die Konkurrenz ist aber gewachsen? Seipel: Als ich hier begonnen habe, 1990, habe ich natürlich ein weites Feld gehabt, weil sich da überhaupt nichts getan hat. Dann wurde 1995 das Palais Harrach dazu genommen, weil wir zwar viele Möglichkeiten gehabt haben, Ausstellungen noch zusätzlich zu Sammlungsbeständen durchzuführen, die wir aber hier nicht zeigen können, weil das Kunsthistorische Museum keine Sonderausstellungsräume hat. Wir haben 400 Quadratmeter im Haus und sonst nichts. Also war für mich eigentlich das damalige Angebot, das Palais Harrach anzumieten, eine unglaublich tolle Chance. Das sind knapp 2000 m2. Seit dieser Zeit ist das Harrach in der Regel eine Art Außenstelle des KHM - mit zusätzlichen Programmen, die sonst nicht zu Stande gekommen wären. Es hat sich eben in Wien niemand gefunden, hier eine Rodin-Ausstellung, eine Ausstellung zum 100. Geburtstag von Henry Moore zu machen. Oder den Wotruba zu zeigen. Dass in Wien jeder Museumsdirektor die Ausstellung macht, die eigentlich andere machen sollten, ist also nicht ganz falsch? Seipel: Das ist nicht ganz falsch. Ich habe aber auch kein Problem damit. Aber es bezeichnet doch einen Zustand, den man als suboptimal bezeichnen könnte? Seipel: Schauen Sie, ein Museumsdirektor hat eine Art Intendantenfunktion, interessanterweise heißt der Museumsdirektor in Graz jetzt Intendant. Das heißt, er hat eine gewisse Aufgabe, konzeptionell-schöpferisch tätig zu sein, der aus seinem eigenen Selbstverständnis heraus festschreiben muss und veranschaulichen muss, was er für wichtig hält, was er im Zusammenhang mit seinem Museum als ein wesentliches Ausstellungsprojekt realisieren möchte. Weil Sie das Wort Intendanz verwenden: Sind Sie der Peymann der Museumswelt? Seipel: Vielleicht sehen mich manche so. Mit breitem Spektrum und wenig Hemmungen, auch ins Kellertheater zu gehen? Seipel: Vollkommen richtig. Wunderbar. Die Vielfalt hat etwas von Theatermacherei. Einen gewissen Regelungsbedarf innerhalb der Museumslandschaft gibt es aber? Seipel: Es gibt natürlich eine gewisse Dichte. Das Museum Moderner
Kunst (Mumok), die Sammlung Leopold, Schröders Albertina, die
Österreichische Galerie - da gibt es allein aufgrund der Sammelbestände
gewaltige Überschneidungen. Und dann kommt noch das MAK dazu. Manche
Künstler werden von vier Museen gekauft. Das sollten die Museen
miteinander ausmachen. Aber das passiert heute nicht mehr. Als Eigentümer hätte ich doch Interesse, dass nicht alle dasselbe kaufen? Seipel: Ich verstehe nicht ganz, warum die Feuilletonisten mit erhobenem Zeigefinger im Interesse des Staates sagen, aber die Steuermittel. Wieso? Die Steuermittel werden hier bestens eingesetzt mit dieser Vielfalt. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass man in dieser unglaublichen Kulturdichte, die in Wien jetzt einmal aufgrund der Sammlungen bietet, ein Maximum an Ausstellungen verwirklicht. Die bringen zwar Besucher, aber mit denen verdienen sie ja nichts. Seipel: Man verdient überhaupt kaum was mit großen Ausstellungen. Man kann nur schauen, dass diese Ausstellungen halbwegs kostendeckend sind und sich eine große Umwegrentabilität erbibt. Sie werden demnächst in budgetäre Schwierigkeiten kommen? Seipel: Wenn die Anhebung der Basistangente für die Bundesmuseen nicht erfolgt, dann wird es 2004 Schwierigkeiten geben. Das weiß die Ministerin. Wir haben es jetzt aufgrund der Vollrechtsfähigkeit endlich geschafft, die ägyptisch-orientalische Sammlung neu aufzumachen. Wir sind jetzt dabei, die Antiken-Sammlung zu eröffnen, Ende des Jahres, das wird also gesteigerte Betriebskosten mit sich bringen. Sie sind dabei, mehr Ausstellungsflächen zu haben. Viele sagen aber, wir haben in Wahrheit schon zu viel Fläche. Seipel: Da gebe ich Ihnen Recht. Ich könnte Ihnen ein paar Museen aufzählen, die sicher zu viel Fläche haben. Das MAK etwa hat 4000 m2 Sonderausstellungsfläche in seinem Nebenbau. Aber diese Diskussion betrifft das KHM nicht, weil wir das einzige große Museum sind, das über keine Sonderausstellungsräume im Haus verfügt. Wie steht es mit den Plänen unterirdisch? Seipel: Das ist eine Entlastung. Das wäre mit Sicherheit sinnvoll. Es steht so, dass die Garage zumindest intern von der Stadt abgesegnet ist, da dürften auch die Finanzierungen gesichert sein. Die Busgarage. Es war ja ursprünglich eine Verbindung ins Museumsquartier geplant . . . Seipel: Es war ursprünglich ein ganzheitliches Konzept angedacht - Kultur, Geschichte, Naturgeschichte, moderne Kunst durch eine unterirdische Verbindung miteinander zu verknüpfen. Das wäre eine ganz tolle Möglichkeit gewesen. Viele sagen, das Museumsquartier funktioniert eigentlich nicht. Seipel: Ich glaube, dass das Museumsquartier es noch nicht geschafft hat, sich zu positionieren. Ein großes Problem sehe ich in der Architektur, die gewaltige Ansammlung von Steinen, von harten Flächen gibt einem nicht das Gefühl, in einem Ambiente zu sein, in dem man sich gerne aufhält. Die Behübschung, Behüttelung, die mit diesen merkwürdigen Iglus versucht wurde, mit auf einer Betonplatte aufgestellten Schanigärten - das kann nicht funktionieren. Man wird dort nie eine Belebung erreichen, wenn man es nicht völlig neu überlegt. Ein Problem ist auch der Karlsplatz. Seipel: Für mich ist der Verlust des Künstlerhauses besonders schmerzlich, und seiner kulturhistorischen Ausstellungen. Statt den Karlsplatz jetzt wieder neu zu gestalten, hätte man diese Mittel in das Künstlerhaus stecken müssen. Es bedarf dringend einer baulichen internen Sanierung. Würde die Albertina zum KHM passen? Seipel: Das Kunsthistorische ist das einzige Weltmuseum, wo das grafische Kabinett fehlt. Eigentlich gehörte die Albertina ins Kunsthistorische Museum. Das ist doch noch ein schönes Ziel bis zum Ende Ihres Vertrages? Seipel: Vielleicht wird (Albertina-Chef) Schröder einmal das Museum übernehmen und die Albertina mit einbringen.
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