Quergeschrieben:
Die militärische Republik 

VON KURT SCHOLZ (Die Presse) 21.03.2006 

Vieles spricht für ein "Haus der Republik". Die ganze Geschichte ist ja eine Abfolge militärischer Ereignisse. 
Ein "Haus der Republik" soll entstehen, hört man, und zwar in Verbin dung mit dem Heeresgeschichtlichen Museum. Feinsinnige Persönlichkeiten wie Hannes Androsch, Peter Weiser und Herbert Krejci nehmen an dieser Tuchfühlung von Republikgeschichte und Militär zwar Anstoß, aber ich finde: Vieles spricht dafür. Im Grunde ist ja die ganze Geschichte eine Abfolge militärischer Ereignisse. 

Nehmen Sie Österreich. Schon die Gründung der Republik 1918 ist einer Heeresleitung zu verdanken, welche die Armee im Ersten Weltkrieg so geführt hat, dass sie sich auflösen musste. "Die schönste Armee der Welt haben wir gehabt", hieß es, "und was haben's gemacht damit? In den Krieg geschickt haben sie's!" Die Gründungsfeier der Ersten Republik störten noch "Rote Garden", aber dass bald Ordnung hergestellt wurde, verdanken wir militärischen Privatinitiativen. Anfänglich mögen diese noch unbeholfen agiert haben - so erschossen sie etwa im burgenländischen Schattendorf einen Invaliden und ein Kind -, aber unter einer richtigen Führung handelten sie bald professioneller. Etwa wenn ihnen Ernst Rüdiger Starhemberg, der schon am Hitler-Putsch 1923 in München teilgenommen hatte, zum richtigen Umgang mit dem Wiener Finanzstadtrat Hugo Breitner riet: "Erst wenn der Kopf dieses Asiaten in den Sand rollt, dann wird der Sieg unser sein." 

Die Feuertaufe bestand das militärische Österreich im Februar 1934, als der Gebirgsartillerie im Beisein des Bundeskanzlers die erfolgreiche Beschießung städtischer Wohnhausanlagen gelang. 1938 hingegen schwiegen die Waffen, dem Wort des scheidenden Regierungschefs folgend, dass eher Gott Österreich schützen möge als das Militär. 1944/45 gab es dann tatsächlich einen militärischen Helden, den Widerstandskämpfer Major Carl Szokoll, an den man sich freilich nach 1945 weniger gerne erinnerte als an einen anderen "Major", nämlich den verurteilten Kriegsverbrecher Walter Reder. 

Die Durststrecke bis zur Einrichtung der - etwas lieblos so genannten - "B-Gendarmerie" musste man mit folkloristischer Wehrmachts-Traditionspflege überbrücken, aber dann ging es steil aufwärts: Große Persönlichkeiten unter den Verteidigungsministern leisteten wichtige Beiträge, sei es durch besondere Trinkfestigkeit, tiefschürfende demokratiepolitische Kommentare (etwa über die "innenpolitisch stabilisierenden Rolle des Bundesheeres", Copyright Lütgendorf) oder durch wichtige Stimuli für unsere Exportwirtschaft, welche nur von irregeleiteten Pazifisten und unbelehrbaren Alt-68ern als "illegale Waffenexporte" denunziert werden konnten. 

Kurz: Die militärische Sicht auf die Entwicklung der Republik ist nicht nur legitim, sie ist der Königsweg zum tieferen Verständnis unseres Gemeinwesens. "Die Welt ist alles, was der Fall ist", meinte Wittgenstein, und dem sollten wir stolz hinzufügen "und Österreich, was das Militär ist!" Womit wir auch schon ein Motto für das "Haus der (Militär-)Republik" hätten. 


Kurt Scholz ist Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien und war langjähriger Wr. Stadtschulratspräsident.