Der Teufel, sagt man landläufig, stecke im Kleingedruckten, aber das ist nur die eine Lehrmeinung. Eine andere besagt, dass der Teufel ganz besonders groß schreibt, mit Flammenzeichen an der Wand etwa, und so wie die Menschen das Kleingeschriebene überlesen, so übersehen sie allzu gerne das Menetekel an der Wand. Sie haben sich daran gewöhnt. Ich aber meine, dass das teuflische Detail meist in normaler Druckschrift erscheint, in der „Times New Roman“ etwa, 10,5 Punkt groß. Wie neulich in der hochgeschätzten Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Interessantes war da zu lesen über eine stramme Initiative des EU-Parlaments. Man habe sich auf ein „Haus der Europäischen Geschichte“ geeinigt und gleich ein Konzept dafür in Auftrag gegeben. Dieser Vorstoß erfreut. Überzeugten Europäern war es immer schon rätselhaft, wie die Einigungsidee gefördert werden kann, wenn gleichzeitig nationale Geschichtsmythen weiter gepflegt werden. Jetzt darf man sich auf das „Haus der Europäischen Geschichte“ freuen und sich insgeheim fragen, was denn eher fertig sein wird, das versprochene Haus der österreichischen oder das Haus der europäischen Geschichte.
Aber, Scherz beiseite, schauen wir uns einmal die Details des Letzteren an: Die Gründungssitzung der Historiker, die das „Haus der Europäischen Geschichte“ konzipieren, hat nämlich schon letzte Woche stattgefunden. Unter Vorsitz der Bundesrepublik Deutschland. Werden also die großen europäischen Mächte definieren, was europäische Geschichte ist? Ja und nein.
Zur konstituierenden Sitzung zusammengetroffen sind neben dem deutschen Vorsitzenden je ein Vertreter aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Polen, von großen Ländern also. Kleine aber waren auch dabei: die Belgier etwa, und auch Portugal, Finnland und Ungarn. Und wer, bitte raten Sie, war nicht vertreten?
Genau: Österreich. Warum? Das verrät die FAZ nicht. Aber sie beruhigt: „Das Haus“, so der deutsche Vorsitzende, solle „nicht die Summe nationaler Geschichten abbilden, sondern die europäische Idee zum Ausdruck bringen.“ Für welche die Briten, Franzosen und Polen ja in den letzten Jahren herausragende Beiträge geleistet haben, möchte man ironisch hinzufügen. Hoffentlich sehen das ihre Vertreter genau so.
Ich finde es schade, dass Österreich an der Gründungsversammlung für ein Europäisches Haus der Geschichte nicht teilgenommen hat. Aber eigentlich macht das nichts: Wir haben ja Nachbarländer, die mitwirken, und so dürfen wir gespannt sein, wie verständnisvoll deren Historiker den österreichischen Beitrag zur europäischen Idee definieren. Schau ma mal.
Man kann sich nicht um alles kümmern, bei der europäischen Einigung. Die Deutschen, Italiener und Ungarn werden schon nett zu uns sein, und notfalls können wir vielleicht irgendwo ein Veto einlegen. Vor ein paar Jahren hat jemand gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Aber uns hat er damit sicher nicht gemeint.
Kurt Scholz ist Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien und war langjähriger Wr. Stadtschulratspräsident.
meinung@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2008)