Killt die Zukunft die Tradition? 

VON HANS WERNER SCHEIDL (Die Presse) 11.02.2006

 "Haus der Geschichte". Ein Kompromiss könnte das reine Militärmuseum retten.

Seit der Ankündigung des Bundeskanzlers, das "Heeresgeschichtliche Museum" (HGM) für ein "Haus der Geschichte" adaptieren zu wollen, regt sich Unmut von allen Seiten. Nicht nur "Traditionalisten" melden sich zu Wort, die am Konzept eines Militärmuseums unter allen Umständen festhalten wollen, auch der Industrielle Hannes Androsch bleibt am Ball. Er sieht Indizien, dass Schüssel das Projekt in unerwünschtes parteipolitisches Fahrwasser bugsiert. 

Der frühere Direktor des HGM, Johann Christoph Allmayer-Beck, ist empört. Und zwar über die Aussage seines Nachfolgers, des inzwischen ebenfalls pensionierten Hofrats Manfried Rauchensteiner. Der hatte die Kühnheit, in der "Presse" von "räumlicher und inhaltlicher Auszehrung" zu sprechen, die während seiner 13-jährigen Amtszeit stattgefunden habe. Das Budget, das ihm vom zuständigen Heeresressort zugeteilt wurde, sei stets zu gering gewesen. 

Allmayer-Beck, der das Haus von 1964 bis 1983 führte: "Das Museum verfügt sehr wohl über einen reichen Fundus." Und was den Platzmangel betreffe, so sei man in letzter Zeit mit dem vorhandenen Raum äußerst verschwenderisch umgegangen. Bitterer Nachsatz des alten Herrn: "Zwischen einem Museumsdirektor und Molnars Hutschenschleuderer ,Liliom' bestehen doch gewisse Unterschiede."

Der Rauchensteiner-Vorgänger verweist alle Zweifler auf Vorbilder in Madrid, Paris, London, Warschau, Stockholm bis Moskau: "Auch kleine Länder wie Belgien oder die Niederlande betrachten ihre Militärmuseen als zeitgemäß." Deswegen sei ja Rauchensteiner nun Koordinator in Dresden beim Zubau für das gesamtdeutsche Militärhistorische Museum.

Aber wäre nicht die geplante Ausgliederung des HGM vom ärmlichen Heeresressort ein gangbarer Weg? Allmayer ist da ganz anderer Ansicht: "Das Ministerium kann seinem Museum ja auch Material zukommen lassen. Und das Museum wieder steht dem Ministerium als Berater in militärhistorischen Fragen zur Verfügung."

Allmayer, aus altösterreichischer Offiziersfamilie stammend, hat aber noch ein Argument, warum man auf keinen Fall die Tradition der kaiserlich-königlichen Armee in den Hintergrund drängen dürfe: "Hier wird ein europäisches Erbe verwaltet, hier ist noch etwas von dem ,ideellen' Österreich sichtbar, das mehr war als die Summe seiner Bundesländer. Rund ein Dutzend Nationen dienten in der kaiserlichen Armee und hatten ihren Anteil an der Entstehung und Erhaltung der einstigen Großmacht."

Hannes Androsch wieder (er hatte mit Herbert Krejci und Peter Weiser die Jubiläumsausstellung zum Staatsvertrag im Belvedere bewirkt) ist aus anderen Gründen gegen eine Adaption des HGM: Zu entlegen sei es - und von der Konzeption her im Zeitalter der europäischen Integration nicht zukunftsweisend. Man sollte eine innerstädtische Lage finden. Der Fundus für den Start sei bereits vorhanden: Viele Teile der Belvedere-Ausstellung wurden ja in ein Depot des Bundesheeres gebracht. 

Was nicht passieren dürfe, sei eine Vereinnahmung durch die Regierungspartei, sagt der einstige Vizekanzler und Finanzminister der SPÖ-Alleinregierung Kreisky. Genau das fürchtet er: "Wenn ich höre, dass jetzt der Klubchef Molterer kräftig hier mitmischt, dann sage ich ganz schlicht: Da gibt's einen Wirbel!" Ein Klubobmann sei von der "Jobbeschreibung" her ein "Politruk", ein Reibebaum. "Wir brauchen aber einen, der die politischen Animositäten ausgleicht, der die Parteipolitik draußen lässt. Sonst kriegen wir ein Ignaz-Seipel-, Engelbert-Dollfuß- oder gar ein Wolfgang-Schüssel-Museum!" 

Auch Allmayer-Beck ist für ein Haus in möglichst großer Nähe zur City. Das HGM möge man getrost belassen, wie es sei. Es habe immerhin international einen hervorragenden Ruf. 

Doch der Zug rollt bereits: Die Ausgliederung des HGM stand bereits im Jänner auf dem Ministerratsprogramm, musste aber wieder abgesetzt werden, weil das BZÖ noch blockiert: Erst müsse Minister Platter im Zuge der Heeres-Neugliederung einige orange/blaue Top-Positionen zusichern. Darüber gebe es nämlich eine schriftliche Koalitionsvereinbarung. Erst dann werde die Ampel auf "grün" geschaltet. 

So könnte es letztlich zu einem "großen Design" kommen: Das HGM als Militärmuseum, das dahinter gelegene und völlig heruntergekommene "Objekt 4" als "Nationalmuseum" (mit einem modernen Zubau) und dazu noch das Kriegsarchiv, das derzeit im Staatsarchiv untergebracht ist. So könnten Wissenschaft und Forschung mit dem musealen Teil vereint werden - besonders, wenn der Grazer Historiker Stefan Karner in diesen Komplex auch noch sein "Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung" einbringen würde. Völlig ungeklärt bleibt freilich, woher die Geldmittel kommen sollen. Nicht einmal zur Sanierung der Fassaden reicht es. Gegen herabstürzende Gesimse schützt man sich inzwischen mit einem improvisierten Gerüst.