Joachim
Riedl in der „Zeit“ vom 16. März 2006,
S. 14
Klampfn,
Quetschn, Guglhupf
Was Elisabeth Gehrer in ihr Nationalmuseum aufnehmen muss
Das Projekt liegt in den bewährten Händen von
Elisabeth Gehrer. Gemeinsam mit ihrem Kollegen vom Eurofighter-Ressort, Günther
Platter, wird die tatkräftige Ministerin jetzt ein Nationalmuseum in die
Landschaft stellen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Das wird ihr so
wunderbar von der Hand gehen wie alles andere,
das sie anfasst. Ein Tempel der österreichischen
Identität wird
entstehen,
eine Pilgerstätte für alle Volksschulklassen von Schruns bis Tschagguns. Lächerlich
die Zwischenrufe, unverständlich der beleidigte Generaldirektor des Staatsarchivs, der sich
einzumischen versucht. Wohlgemerkt: Staatsarchiv! Da sieht man doch förmlich
den Staub aus alten Aktenbündeln rieseln. Was soll das? Wollen diese
Stubenhocker mit ihren vergammelten Papierln etwa die Leute vertreiben? Eine
Elite-Uni braucht keine Forschungselite; ein Staatsmuseum folglich kein
Staatsarchiv. Nicht genügend. Setzen!
Wenn diese Besserwisser ahnten, dass längst alles aufs Feinste ausgetüftelt ist. Das dynamische Kuratorenteam, lauter ehemalige Vorzugsschüler von Frau Gehrer, sammelt schon emsig Schaustücke. Wenn in Berlin eine gebrauchte Strickweste von Helmut Kohl das Schmuckstück der zeitgeschichtlichen Sammlung bildet, so wollen und können wir diese persönlichkeitsorientierte Museumsdidaktik mit privaten Souvenirs leicht überbieten. »Fürs Erste geb' ich euch gleich meine eigene Erstausgabe vom Rot- Weiß-Roten Liederbuch“, sagte die Museumsgründerin und trennte sich, wenn auch schweren Herzens, von dem teuren Stück.
Auf einem raschen, virtuellen Rundgang begrüßt den Besucher zunächst einmal das herrliche Alpenpanorama (mit freundlicher Genehmigung der Wetterkameras von Peter Schröcksnadel). Überall funkelt Bergkristall aus dem Haus Swarowski. Und täglich begrüßt Murmi, das Großglockner-Murmeltier.
Alsbald gelangt man zu dem Hergottswinkel, in
dem Karl Heinrich Waggerl immer seine Weihnachtsgeschichten vorgelesen hat.
Vielleicht ist ja auch Platz für das eine Buch vom Pröll, obwohl Karl
May, aber was soll's. Nicht weit davon jedenfalls das Jedermann-Kostüm vom
Brandauer, die Sonnenbrillen von Falco, die Sapporo-Startnummer vom Schranz, dem
Krankl seine Cordoba-Treter und eine Opernball-Robe von der ... also von einer
Begleitung vom Lugner. Nicht fehlen dürfen auch die Wanderschuhe, in denen der
Raiffeisen-Konrad und seine Freunde jedes Jahr auf ihrer Wallfahrt nach
Mariazell stapfen. Nicht vergessen, der Schützenhut vom Wallnöfer, Gott hab'
ihn selig, und die Lederhosen von allen Tirolern, die jemals wichtig gewesen
sind: also Andreas, Khol.
Der wichtigste und größte Raum in Gehrers
Museumskonzept birgt all die Kostbarkeiten, die an die Architekten der Zweiten
Republik erinnern. Da sind zunächst natürlich die Instrumente des Wende-Trios:
die Blockflöte von Liesl, die Quetsch’n vom Willi und die Klampf’n vom
Wolfi. Der, schließlich ist er Kanzler, steuert noch ein Fußball-Leiberl bei,
und wenn ihn seine Ministerin nur lange genug bittet, stiftet er vielleicht
sogar eines der Mascherln. Vom Figl eine Reblaus und eine Virginia, vom Klaus
sein Echter-Österreicher-Trachtenanzug, vom Waldheim eine Gedächtnislücke und
vom Mock die Bermuda-Shorts vom Staatsbesuch in Jordanien. Die verblassen
allerdings ein wenig neben der Badehose vom Grasser. Unter anderem noch: der
Guglhupf, von dem Klestil und Dichand vor der TV-Kamera
genascht haben, die vielen Handtaschen
und Stöckelschuhe von der Susi, Khols
Wanderkarte durch die Wüste Gobi, ein paar Kampfpostings von Lopatka, eine
unbezahlte Rechnung der Gräfin Herberstein, die Drachen-Brosche der Waltraud
Klasnic und eine Auseer-Tracht (sic) vom Androsch - aber nur wenn er sich
finanziell beteiligt.
Solange er brav bleibt, darf auch der Jörg seinen ausrangierten blauen Porsche vor, aber auch nur vor dem Eingang parken. Jedenfalls ein Nationalmuseum, wie es sein soll: Es zeigt, wieso das Land zu dem wurde, das es heute ist.