ÖVP bastelt sich ein Museum
Historiker fordern inhaltliche Debatte über Schüssels Pläne für ein Republikmuseum
Wien - Offiziell ist Hannes Androsch Alfred Gusenbauers Berater in Wirtschaftsfragen - inoffiziell scheint der Industrielle aber auch roter Bereichssprecher für Museumsfragen zu sein. Als solcher meldete er sich nämlich zuletzt mit scharfer Kritik an dem von der ÖVP geplanten "Haus der Österreichischen Zeitgeschichte" zu Wort.
Das Projekt laufe Gefahr, ein "Ignaz-Seipel-, Engelbert-Dollfuß- oder gar ein Wolfgang-Schüssel-Museum" zu werden, polterte Androsch in der Presse. Gemeinsam mit den beiden anderen Initiatoren der Belvedere-Ausstellung zum Staatsvertragsjubiläum, dem ehemaligen Industriellenvereinigungsgeneral Herbert Krejci und dem Publizisten Peter Weiser startete Androsch vergangenen Donnerstag deshalb eine Unterschriftenaktion gegen Wolfgang Schüssels neues Prestigeprojekt. "Ohne ausreichende geistige Fundierung", so die Begründung, würde das Museum "zum politischen Zankapfel" verkommen.
Der Protest der drei Herren, die sich als "elder statesmen" verstehen, kam gerade recht: Denn ebenfalls am Donnerstag verkündete Schüssel, dass die Planung für das neue, von ihm gewünschte Museum "schon angelaufen" sei. Er habe Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer und Verteidigungsminister Günther Platter damit beauftragt - Letzterer ist für das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) zuständig, in dessen Nähe das "Haus der Österreichischen Zeitgeschichte" angesiedelt werden soll. "Selbstverständlich wird dieses Projekt frei von jeder Parteipolitik und politischer Beeinflussung sein", beteuerte Schüssel. Auch einen griffigen Namen für den Museumskomplex auf dem Wiener Arsenal, der noch in dieser Legislaturperiode entstehen soll, brachte er ins Spiel: Es soll "Museumsinsel" heißen - wohl in Anlehnung an das Berliner Vorbild.
Österreichische Zeithistoriker verfolgen das Projekt mit Skepsis. Manfried Rauchensteiner, ehemals Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, findet es zwar "grundsätzlich gut", dass etwas passiert. "Aber parallel zur Standortüberlegung sollte auch die inhaltliche Diskussion starten. Wir müssen darüber reden, was dieses Museum der Republik - oder wie immer man es nennen will - beinhalten soll", sagte er zum STANDARD. Auch Oliver Rathkolb vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit fehlt ein inhaltliche Debatte. "Offensichtlich will die Regierung die Wissenschafter wir bei Gugging an den Rand drängen", vermutet er im STANDARD-Gespräch. "Es fehlt an Diskussionsbereitschaft". Nur der Grazer Historiker Stefan Karner gibt sich abwartend. Dem Schüssel-Vertrauten und Leiter des Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung werden beste Chancen nachgesagt, demnächst samt Institut als neuer Generaldirektor der "Museumsinsel" nach Wien übersiedeln zu können.
(Barbara Tóth/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 2. 2006)