Vorschlag zum Haus der Geschichte
GERALD KRIEGHOFER (Die Presse)

Ein zeithistorisches Informationszentrum, in dem das österreichische Haus der Geschichte in dem viel größeren europäischen eingebettet ist.

Es besteht Konsens, für ein Haus der Geschichte viel Geld zu investieren. Ich mache den Vorschlag, noch viel mehr Geld auszugeben, aber dafür etwas Zukunftweisendes zu bauen: Ein zeithistorisches Informationszentrum, ein europäisches Zentrum, ein Haus Europa, in dem das österreichische Haus der Geschichte in dem viel größeren europäischen eingebettet ist. Natürlich wären für so ein Vorhaben die bisher diskutierten Altbauten unpassend oder zu klein. Die Stadt Wien und die österreichische Bundesregierung sollten den Mut haben, einen Neubau zu schaffen, mit mindestens drei Mal so viel Ausstellungsfläche wie im geplanten Haus der Geschichte. Das Ganze sollte vom allgemeinen Willen getragen sein, mit einem neuen Wahrzeichen Wiens und Österreichs ein weithin sichtbares Zeichen für Europa zu setzen.


Die besten Erfindungen Europas


Zum Inhalt des österreichischen Teils des Hauses von 1918 bis zur Gegenwart ist schon viel Einleuchtendes gesagt worden. Unsere Geschichte sollte in einem Rahmen gezeigt werden, der den Besuchern auch die besten und größten Erfindungen Europas in Erinnerung rufen soll: der Erfindung der Freiheit, der Demokratie, des Wohlfahrtsstaates, des Völkerrechts und deren wichtigste Institutionen, die ja alle gegen große Widerstände durchgesetzt wurden.

Aber es sollten nicht nur Traditionen gezeigt werden, auf die wir mit Recht stolz sein können, sondern auch jene, die im 20. Jahrhundert beinahe zur Selbstzerstörung Europas geführt hätten. Die europäische Erfolgsgeschichte würde ein Thema sein, von den Anfängen des Europäischen Traums, über Winston Churchills Vorschläge, den Überlegungen der französisch-deutschen Realpolitiker der Gründungsphase, bis zu den Erweiterungen der EU. Fast in keinem Land ist die Akzeptanz der EU so gering wie in Österreich, was nicht zuletzt mit mangelnden Informationen zusammenhängen dürfte. 

Kein europäisches Land hat als einzelne Nation auf sich alleine bezogen noch eine große Zukunftsperspektive: Es wäre überspannt, von einem slowakischen, polnischen, portugiesischen, österreichischen oder französischen Zukunftstraum zu reden. Allerdings können alle diese Länder eine gemeinsame Zukunft in der Europäischen Union mitplanen. So ein Haus könnte ein Zentrum für Debatten über die verschieden Wunschvorstellungen und Befürchtungen über die Zukunft Europas werden. Es wäre ein öffentlicher Raum, in dem man über Europas Verfassung, seine Beziehungen zu Russland oder der Türkei fundiert informiert wird und fundiert streiten kann.

Allen Ländern Europas könnten im Laufe der Jahre Sonderausstellungen gewidmet werden, ebenso wie großen österreichischen und europäischen Themen. Es wäre verlogen, wenn nicht auch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gezeigt würden, jene Kräfte, die beinahe zur Selbstzerstörung Europas geführt hätten. Mindestens ein Raum müsste dem schwärzesten Teil unserer Geschichte gewidmet sein. Es sollte das Beste von Europa gezeigt werden, aber auch jene Traditionen dürften nicht tabuisiert werden, die hoffentlich wirklich Geschichte sind.


Themen faszinierend präsentieren


Moderne Ausstellungstechniken ermöglichen es heute auch sperrige Themen so zu präsentieren, dass sie den Nichtfachmann interessieren und faszinieren können. So ein Haus Europa wendet sich nicht nur an Schüler, Studenten und Touristen sondern an alle, die sich – wenn auch nur für ein paar Stunden – dafür interessieren, wie wir geworden sind, was wir sind. Und die sich dafür interessieren, welche Zukunft unserem Land offen steht. Europäische Stadttouristen sollten dieses Haus als unser Haus besuchen wollen, es könnte ein Beitrag zur Stärkung des europäischen Wir-Gefühls sein. 


Gerald Krieghofer, Philosoph, lebt als freier Mitarbeiter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2007)