Ein packendes Stück Geschichte Von Dieter Kindermann (Kronenzeitung 11.2.2006) Im
Schneegestöber wirken die Konturen des Heeresgeschichtlichen Museums noch
bizarrer. Der Rohziegelbau im maurisch-byzantinischen Stil mit mächtiger
Kuppel. Gleich vis-a-vis vom Wiener Südbahnhof im Arsenal. Hinter den
Eingangstoren 500 Jahre österreichische und europäische Geschichte.
Schätze von unermesslichem Wert. Statuen, Gemälde, Rüstungen, Waffen.
Eine Bronzeplastik von Wallenstein, der Brustharnisch von Prinz Eugen, die
Totenmaske von Kaiser Maximilian, die blutgetränkte Uniform des
ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand. Der Saal "Republik und
Diktatur", in dem sie alle vereint an der Wand hängen - in Öl
gemalt: rote und schwarze Spitzenpolitiker, die einander im Bruderkrieg
1934 mit unversöhnlichem Hass gegenüberstanden. Links vom Eingang das
Buffet mit dem Museumsshop: kleine Bronzeplastiken von Franz Joseph und
Elisabeth, Miniaturhelme von Dragonern und Husaren, Mörser aus Zinn,
bunte Zinnsoldaten, gelb-schwarze Seidentücher mit Doppeladlern. Bei
einer Melange wird geplaudert, diskutiert - auch über die Zukunft des
Heeresgeschichtlichen Museums. Das
Heeresgeschichtliche Museum wird natürlich nicht zerschlagen Im Objekt IV des Arsenals soll ein Haus der Geschichte, der Republik von 1918 bis heute entstehen. "Es liegt rechts vom Museumseingang - umgeben von Tennisplätzen", schildert der Portier. "Ein langgestrecktes Gebäude. Ebenfalls ein Rohziegelbau. Aber da können Sie nicht hinein. Das ist unser Depot." Im Objekt IV sind die Exponate der Staatsvertragsausstellungen des Gedankenjahres 2005 im Belvedere und der Schallaburg gelagert. 700.000 Menschen haben diese Ausstellungen, die Erinnerungsstücke an die jüngere Geschichte Österreichs besichtigt. Sie sollen jetzt das Fundament für das neue Haus der Zeitgeschichte, der Ersten und Zweiten Republik bilden. BZÖ- und FPÖ-Politiker argwöhnen, das Heeresgeschichtliche Museum könnte zerschlagen werden. "Unsinn, daran denkt keiner", versichert ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer, Motor und Drehscheibe der neuen Idee. "Das Heeresgeschichtliche Museum ist derzeit eine nachgeordnete Dienststelle des Verteidigungsministeriums. Es soll aber aus dem Budget ausgelagert und nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden, wie die anderen Bundesmuseen auch." Das hat auch den Vorteil, dass der jeweilige Museumsdirektor nicht weisungsgebunden ist. Ein früherer Verteidigungsminister hatte im Jahr 2000 gleich zwei Ausstellungen untersagt: über die "Operation Walküre" in Wien, also den "Aufstand des Gewissens" gegen Hitler 19442 und über den Eisernen Vorhang an Österreichs Grenze. Letztere kam auf Intervention des Ausstellungspartners Ungarn doch zustande. Mit einigem finanziellen und organisatorischen Mehraufwand, weil die Leihgaben schon zurückgeschickt worden waren. Die Walküre-Ausstellung konnte der frühere Museumsdirektor Rauchensteiner 2004 unter dem Titel "Tyrannenmord - Der 20. Juli 1944 und Österreich" nachholen. Manfried Rauchensteiner kann sich mit dem
Gedanken anfreunden, dass im Arsenal ein Haus der Republik entsteht, wenn
das Heeresgeschichtliche Museum unangetastet bleibt. Er plädiert nur dafür,
das neue Haus nicht im 800 Meter entfernten Objekt IV zu errichten,
sondern direkt auf der großen Parkfläche vor dem Heeresgeschichtlichen
Museum. Aus dem ganz einfachen Grund: "Wenn beide Gebäude eng
zusammenliegen, ist ein Besucheraustausch leichter möglich. Und es wäre
auch kostensparend. " Nun, Wilhelm Molterer
schwebt ein zweites Museumszentrum in der Umgebung des Arsenals vor - ähnlich
dem Museumsquartier: Heeresgeschichtliches Museum, Haus der Geschichte,
das ,,20er Haus", in dem wieder moderne Kunst gezeigt werden soll,
und das Belvedere. Da gibt es schon Visionen: den Zentralbahnhof am Südtiroler
Platz, U-Bahnstationen, eine Gürtel-Unterführung, also eine
unterirdische Verbindung zwischen den Museen. "Noch in dieser
Legislaturperiode - also noch vor den Nationalratswahlen - sollen die Weichen
dafür gestellt werden", zeigt sich Wilhelm Molterer zuversichtlich. Dramatisch genug - die
Geschichte der Republik: 1933 Ausschaltung des Parlaments, 1934
Bruderkrieg, 1938 "Anschluss", NS-Terror, 1945 Wiedergeburt,
1950 KP-Putsch-Versuch, 1955 Staatsvertrag, 1995 EU-Beitritt. |