Gemeinsam einsam: 21er-Haus und
Haus der Geschichte
Wer will schon
Statistiken glauben?
Wir interessieren uns doch für Gegenwartskunst. Und
Ostermayer wird ein Haus
der Geschichte realisieren.
15.01.2014 | 18:26
| von
Almuth Spiegler (Die Presse)
Fakt ist“, sprudelte
es aus
Belvedere-Direktorin Agnes Husslein bei ihrer
Jahres-Pressekonferenz dann doch
mit Ennui heraus, „dass der Österreicher an zeitgenössischer
Kunst nicht
interessiert ist.“ Während die halbe Welt sich für Tickets zur
Biennale Venedig
anstellt und dieser alle zwei Jahre neue Besucherrekorde
verschafft, treten
sich die Österreicher und wohl auch Österreicherinnen am
liebsten im Dinosaal
des Naturhistorischen Museums gegenseitig auf die Füße.
Dieses irgendwie ja
sympathisch
antizyklische, man könnte auch sagen renitente Verhalten
scheint jetzt
endgültig die Statistik zu zementieren: Lächerliche 33.000
Leute fanden 2013
nur den zugegeben wenig attraktiven Weg ins doch äußerst
attraktive, noch dazu
neu eröffnete 21er-Haus neben der absurd monströsen
Zentralbahnhofsbaustelle.
Und das, obwohl die illustre Künstlergruppe Gelitin sowie
junge
Programmgestalter dort voriges Jahr regelrechte Purzelbäume
schlugen. Und eine
Lokalität samt Experimental-Sushi wartet. Sapperlot.
Das war früher –
überraschenderweise
– nicht viel anders, wie sich auf Nachfrage im Museum moderner
Kunst
herausstellt, das bis 2000 diesen Standort noch als 20er-Haus
betrieb. Es gab
hier zwar noch kein Museumsquartier als Konkurrenz, aber auch
noch kein Kino,
keine Wotruba-Stiftung und keine Artothek im Keller – dafür
einen
hervorragenden Kaffeeautomaten. Was trotzdem zur praktisch
derselben
Besucherzahl führte – 31.600 hat man im letzten vollen
Betriebsjahr, 1999, hier
gezählt.
Husslein ist
Realistin genug, dass
sie hier nie verdienen wird. Trotzdem ist sie zu Recht sauer.
Die Stadtpolitik
lässt sie dort draußen nämlich ziemlich allein. Denn auch wenn
der
Zentralbahnhof fertig ist, werden sich die Inhalte der Züge
aller Voraussicht
nach nicht in Richtung eines Museums ergießen. Und auch das
arbeitende Volk,
zum Beispiel des Erste-Bank-Campus, wird seine Mittagspausen
nicht unbedingt im
21er-Haus verbringen. Es sei verantwortungslos von der Stadt,
schimpft
Husslein, „die größte Stadterweiterung seit dem 19.
Jahrhundert“ ohne kulturellen
Auftrag zu planen, alles nur den Privaten zu überlassen.
Hier sollte sich
allerdings auch der
Bund angesprochen fühlen. Denn in der praktischen
Nachbarschaft zum
Heeresgeschichtlichen Museums wäre doch der perfekte Standort
für das gefunden,
was seit 2000 in jedem Regierungsabkommen steht: das Haus der
Geschichte. Schon
bevor der neue Kulturminister seine Arbeit aufnimmt, wird
dieses Ewigprojekt
allerdings schon wieder totgesagt. Was er doch eigentlich
nicht auf sich sitzen
lassen kann. Schließlich ist das Gedenkjahr 2018 mehr als ein
würdiger Anlass,
jede Statistik alt aussehen zu lassen. Geht man nämlich nach
der Anzahl der
Wörter, die in jedem der mittlerweile fünf Regierungsprogramme
auf das
deklarierte Ziel Haus der Geschichte „verschwendet“ wurden,
schaut es ziemlich
düster aus: 35, 30, 24, 16 – und jetzt 14. Aber wer will schon
Statistiken
glauben...
E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe,
16.01.2014)