Bundespräsident
Dr. Heinz Fischer: Neujahrsansprache 2006 Guten Abend! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt
sind wir also wieder angelangt, an diesem ersten Tag eines neuen Jahres,
mit dem das alte Jahr endgültig abgeschlossen ist und das neue wie ein
unbeschriebenes Blatt vor uns liegt. Mir ist
das Jahr 2005 unheimlich schnell vergangen. Wahrscheinlich, weil es aus
vielen Gründen für Österreich und auch für mich persönlich ein
spannendes und inhaltsreiches Jahr war. Leider
auch ein Jahr mit schrecklichen Katastrophen, bei denen aber die
Hilfsbereitschaft und Solidarität der österreichischen Bevölkerung
neuerlich eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde, wofür ich sehr, sehr
dankbar bin. Und nicht
zuletzt war es ein Gedenk- und Jubiläumsjahr. Angesichts
der vielen interessanten Veranstaltungen, Diskussionen und Ausstellungen
im Jahr 2005 denke ich, dass man jetzt das Eisen schmieden sollte, solange
es heiß ist und Ich werde mich jedenfalls in diesem Sinne bemühen. Und noch eine Anmerkung aus aktuellem Anlass am Ende des Gedenkjahres: Wir betrachten doch unsere Volksgruppen in Österreich, wie zum Beispiel die Slowenen im Süden oder die Kroaten im Burgenland als wertvolle Bereicherung. Als Österreicherinnen und Österreicher haben sie selbstverständlich vollen Anteil an unserem Rechtsstaat. Dazu
gehört aber auch die Berücksichtigung eines Urteils des österreichischen
Verfassungsgerichthofes. Das
erwarte ich mir. Meine Damen und Herren! Was das
neue Jahr 2006 betrifft, wissen wir alle, dass das 1. Halbjahr in
besonderer Weise durch den mit dem heutigen Tag beginnenden österreichischen
EU-Vorsitz geprägt sein wird, und das 2. Halbjahr durch die im Herbst fälligen
Nationalratswahlen. Was bedeutet eigentlich der österreichische EU-Vorsitz? Er bedeutet, dass viele wichtige europäische Gremien für 6 Monate unter österreichischem Vorsitz arbeiten werden. Damit sind auch intensive Vorbereitungsarbeiten verbunden. Er
bedeutet auch, dass Österreich zu vielen Themen als Repräsentant und
Sprecher der Europäischen Union Verantwortung tragen und Aufmerksamkeit
finden wird. Der
EU-Vorsitz bedeutet aber NICHT, dass Österreich in dieser Zeit Europa
nach eigenem Gutdünken lenken und gestalten kann. Vielmehr
müssen auch in diesem Halbjahr alle Mitgliedsländer gemeinsam am Europäischen
Projekt arbeiten. Und es muss jedes Land seine Hausaufgaben machen, Fehler
korrigieren und Vertrauen aufbauen. Besonders wichtig ist es meiner Meinung nach, durch Worte und Taten zu beweisen, dass das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit im gemeinsamen und erweiterten Europa nicht an den Rand gedrängt wird. Erfolge
im Kampf gegen Arbeitslosigkeit, und ganz besonders gegen
Jugendarbeitslosigkeit, wären daher ein außerordentlich wertvolles
Argument im Werben um Vertrauen für dieses Europa. Beschäftigungspolitik
muss Vorrang haben! Denn
schließlich ist die Europäische Integration ja kein Selbstzweck, sondern
ein kluges Projekt von historischer Bedeutung, um durch ein leistungsfähiges,
wettbewerbsfähiges Europa die Grundlage für humane und menschenwürdige
Lebensbedingungen und für dauerhaften Frieden in ganz Europa zu schaffen. In diesem Sinne wollen wir auch die freundschaftlichen Beziehungen zu unseren Nachbarländern festigen und weiterentwickeln. Liebe Österreicherinnen
und Österreicher! Das neue
Jahr 2006 wird auch ein Mozartjahr und ein Sigmund-Freud-Jahr sein, wobei
wir des 250. Geburtstages von Mozart und des 150. Geburtstages von Sigmund
Freud gedenken. Ich erwähne
das Mozart- und Freudjahr deshalb, weil man Mozart geradezu als Symbol für
geniales künstlerisches Schaffen sehen kann, und weil die Höhen und
Tiefen im Leben und Schaffen von Sigmund Freud bis hin zu seiner
erzwungenen Emigration im 82. Lebensjahr ebenfalls Symbolkraft für ein
Tabu brechendes Forscherleben haben. In diesem
Zusammenhang wünsche ich mir, dass 2006 über Mozart und Freud hinaus
auch ein gutes Jahr für Kunst und Wissenschaft mit herausragenden künstlerischen
und wissenschaftlichen Leistungen werden möge. Wir verdanken Kunst und Wissenschaft außerordentlich viel. Sowohl individuell als auch als Gesellschaft; und wir honorieren das am besten, indem wir mit Kunst und Wissenschaft verantwortungsvoll und zukunftsorientiert umgehen. Liebe
Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte
nicht versäumen, mich am ersten Tag des neuen Jahres auch für die vielen
Zeichen des Wohlwollens und des Zuspruches bedanken, die meine Frau und
ich im vergangenen Jahr erhalten haben. Dankeschön. Ich wünsche Ihnen allen, Ihren Familien und unserem ganzen Land ein gutes, friedvolles Jahr 2006 und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. |