Haus der Geschichte:
Ein Fahrplan fürs neue Museum
09.08.2007 | 18:22 | HANS WERNER SCHEIDL (Die
Presse)
Die Historiker präsentieren
der Regierung ihre „Roadmap“ – Standort: Donauplatte.
Die Arbeitsgruppe für ein „Haus der Geschichte der
Republik“ hat ihre Vorarbeiten abgeschlossen, ihren Endbericht der
Bundesregierung übergeben – jetzt löst sie sich auf.
Alles Weitere sei nun
Sache der Regierung, sagt Günter Düriegl, der die Arbeitsgruppe 15 Monate
hindurch leitete. Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer hätten das
Projekt zur „Chefsache“ erklärt, versicherte Düriegl. Und auch der
Bundespräsident habe die Arbeitsgruppe mit lobenden Worten aufgemuntert.
Ganz ohne Dissonanzen dürfte die Sache aber nicht
ausgegangen sein. Denn Düriegl scheidet nun definitiv aus. „Es wurde uns
vermittelt, dass sich das neu formieren wird“, sagte er am Donnerstag. Selbst
sei er nicht gebeten worden, sich weiter um das Haus der Geschichte zu kümmern.
„Ich bin nie gefragt worden.“ Warum nicht? „Da müssen Sie den Professor
Karner fragen.“
Stefan
Karner, der in Graz lehrt und das
Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung leitet, hatte schon für den
damaligen Bundeskanzler Schüssel ein Konzept erstellt. Er profilierte sich in
dieser Causa mit der Großausstellung 2005 auf der Schallaburg „60 Jahre 2.
Republik“. In Düriegls Arbeitsgruppe war er stellvertretender Leiter. Mit
dabei waren noch Manfred Jochum und die Historiker Herbert Matis und M.
Christian Ortner (Heeresgeschichtliches).
Wie wird die endlose Geschichte nun weitergehen? Eine
Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertretern des Bundeskanzleramts, sowie aus dem
Finanz-, Bildungs- und Wissenschaftsministerium soll sich künftig weiter um das
Projekt kümmern. Doch von Budgetmitteln in einem der genannten Ressorts ist
nichts bekannt.
Zahlen auch die Länder?
Ganz erfolglos war die Arbeit aber nicht, auch wenn sich
nun die Gruppe auflöst und die Materialien dem Staatsarchiv übergeben werden
(auch die angeschaffte Bibliothek). Denn wo immer die Historiker Kontakt mit
Politikern hatten, wurde ihnen Interesse signalisiert. Düriegl: „Das Projekt
kann nur dann ein Erfolg werden, wenn es von ganz Österreich getragen wird.
Daher ist es auch Sache der Bundesländer. Und zwar nicht nur ideell, sondern
dazu gehört auch eine Finanzierung durch die Länder!“
Zur Standortfrage: Es wurden mehrere bestehende Objekte
auf ihre Tauglichkeit geprüft – keines hat sich wirklich dafür empfohlen.
Das renovierungsbedürftige Objekt IV im Arsenal (hinter dem Heeresgeschichtlichen Museum) liegt abseits
der Touristenströme; Die Alte Aula der Akademie der Wissenschaften (von Rudolf Prohazka um 10 Millionen soeben
restauriert) dürfte zu klein sein; das Künstlerhaus (es bot den Ausbau des Dachbodens an) hat sich jüngst
zurückgezogen. Eine weitere – von mancher Seite favorisierte – Variante hätte
noch vor einem Jahr eine Chance gehabt, jetzt ist sie vertan: Das wäre das
Haupthaus der Technischen Universität am
Karlsplatz gewesen. Wenn nämlich die TU gemeinsam mit der WU aufs Flugfeld
Aspern abgesiedelt worden wäre. Doch TU-Rektor Skalicky beharrte auf den vielen
Wiener Standorten der TU-Institute und die BIG renoviert bereits das Haupthaus für
Zwecke der Technik. Dieses Projekt hätte den größten Charme gehabt, weil
damit eine zweite Museumsinsel inmitten der Stadt entstanden wäre.
Fazit: Die Arbeitsgruppe empfiehlt
einen Neubau auf der
Donauplatte. Dort
gibt es noch einen
prominenten Bauplatz – vor der UN-City, gegenüber dem Multiplex-Kino. Und
zwar ein architektonisch futuristisches Ausrufzeichen, das die Einzigartigkeit
dieser Forschungsstätte samt Museum signalisieren soll.
Wie soll dieses Haus der Geschichte „gefüllt“ werden?
In der „Roadmap“ der Arbeitsgruppe wird empfohlen, das Haus keinesfalls als
Nationalmuseum und auch nicht als landläufiges klassisches Museum zu
konzipieren. Ziel sei „ein attraktiver öffentlicher Ort“, der eine
Auseinandersetzung mit Geschichte und Geschichtsschreibung, mit Politik,
Wirtschaft, Kultur, Kunst und Sport ermöglicht. Das Europäische im Österreichischen
sei dabei zu bedenken. Diskussionen, multimediale Darstellungsformen, Service
und Forschung müsste gleichermaßen präsent sein. Die Kosten sind angesichts
der vagen Vorstellungen nicht bezifferbar.
Inhaltlich steht die Geschichte Österreichs von 1918 bis
zur Gegenwart im Mittelpunkt. Aber naturgemäß muss weit in die Geschichte zurückgegangen
werden, wenn das zum Verständnis beiträgt: Die Ausbildung der Massenparteien
in der Monarchie, das „dritte Lager“ seit 1848, der Wandel im
Selbstbewusstsein der Österreicher seit Königgrätz 1866. Das Ende der
geistigen Vorherrschaft im Römischen Reich usw.
Als erstes Projekt empfiehlt die Gruppe eine
Sonderausstellung im Jahr 2008: „90 Jahre Republik Österreich“ (vom Mai bis
zum November). Federführend sind hiebei Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky,
der Direktor des Staatsarchivs. Dafür hat das Bundeskanzleramt auch schon
Geldmittel bereitgestellt.
ZUR PERSON
Mastermind Günter Düriegl war langjähriger
Direktor der Historischen Museums der Stadt Wien. Bereits in Pension, musste er
im Jahr 2005 die Ausstellung der Republik im Belvedere retten. Das Haus der Geschichte sollte auf den Erfahrungen und den Materialen aus der
Belvedere- und der Schallaburg-Ausstellung aufbauen, meinen Experten. Düriegl
selbst scheidet nun definitiv aus. [Clemens Fabry]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2007)
Aufwachen, Minoritenplatz!
Um das Haus der Geschichte zu realisieren, braucht es die Regierung.
Der Prozess ist mehr als zäh. Aber rund ums „Haus der Geschichte der Republik Österreich“ ist wenigstens die erste Wegstrecke geschafft. Eine sogenannte „Roadmap“ soll es nun der Politik erleichtern, die nächsten Schritte in die richtige Richtung zu machen. Auch wenn man in der Öffentlichkeit von den Vorarbeiten wenig erfahren hat – umsonst war die Arbeit nicht (wenngleich gratis): 30 Sitzungen der fünfköpfigen Arbeitsgruppe und 18 Zusammenkünfte der ständigen Historiker-Expertengruppe haben ein Rohkonzept für die personelle, finanzielle und didaktische Ausstattung des geplanten Großprojekts
ergeben. Was nun zu tun ist? Damit dieses (längst fällige) Haus der Geschichte konkrete Formen annehmen kann, bedarf es der vorbehaltlosen Unterstützung durch die Regierung Gusenbauer/Molterer. Die muss über nichtssagende Beteuerungen hinausgehen. Denn auch die lobenden Worte des Bundespräsidenten bringen das Projekt noch nicht wirklich voran. Heinz Fischer kann nicht operativ tätig werden. Bei allem historischen Interesse.
Da es um Forschung und museale Darstellung geht, sind beide Minister am Minoritenplatz gefordert: Johann Hahn und Claudia Schmied in gleicher Weise. An ihnen wird es nun liegen, die Arbeiten voranzutreiben und es nicht bei einem vagen Bekenntnis zu belassen, wie es im Koalitionspakt festgeschrieben wurde. Die Idee, das Haus der Geschichte zur Chefsache zu machen, erscheint nur auf den ersten Blick famos. Auch Wolfgang Schüssel hat das versucht, war aber durch dringlichere Tagespolitik an der Mitarbeit
verhindert. Das wäre jetzt die einmalige Chance für den Minoritenplatz: Jetzt könnten beide dort residierenden Minister beweisen, dass die Koalition zu einem großen Wurf fähig ist. Es sollte eine lohnende Sache sein. Für Claudia Schmied, für
„Gio“ Hahn.
hans-werner.scheidl@diepresse.com ("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2007)