Haus der Geschichte: Habt Acht, rechts um?

Was Schüssel unter Konsens versteht -
Ein Kommentar der anderen von Trautl Brandstaller  

Kaum ist das "Gedankenjahr" zu Ende, lässt die Bundesregierung die Konsens-Hüllen fallen. War man 2005 noch bemüht, zumindest einen "Scheinkonsens" in Fragen der Zeitgeschichte zu wahren, so wird nun, im beginnenden Wahlkampf, Fraktur geredet. "Schon längst", ließ der Bundeskanzler wissen, seien Gehrer und Platter damit beauftragt, "innerhalb des Heeresgeschichtlichen Museums ein Haus der Geschichte zu schaffen".

Dass auch der Direktor schon feststeht, in der Person des dem Kanzler eng verbundenen Stefan Karner, behielt Schüssel zwar noch für sich, pfeifen aber alle Spatzen von den Dächern Wiens. Dieser Plan kann nur als schlichte Verhöhnung all derer bezeichnet werden, die bis jetzt langwierige und ernsthafte Versuche zu einer konsensualen Lösung für ein "Haus der Geschichte" unternommen haben. Verhöhnung in mehrfacher Hinsicht:


1. Schon die Idee, ein Heeresgeschichtliches Museum zur Basis eines "Nationalmuseums" zu machen, mag zwar Militaristen und alle, deren Denken irgendwo in den 50er-Jahren stecken geblieben ist, erfreuen. Für eine moderne Museumskonzeption, die Geschichte als Wirkungsfaktor heutigen Bewusstseins und heutiger Politik begreift, ist die Identifikation von Geschichte mit Militärgeschichte anachronistisch.


2. Noch viel mehr gilt das für den Ort, das Arsenal, das 1849, ein Jahr nach der Revolution, Franz Joseph zur Verteidigung gegen eine aufrührerische Bevölkerung errichten ließ. Die Anfänge der Demokratie in Österreich, der Kampf um eine Verfassung und das allgemeine Wahlrecht sollten, nach Ansicht der meisten Historiker, den Kern eines "Hauses der Geschichte" bilden, sie würden Österreichs Werdegang auch in den heute erforderlichen europäischen Kontext einordnen. Ein "Haus der Geschichte" in eine Festung zur Abwehr der liberalen Revolution zu bauen, stellt ein negatives Symbol dar.


3. Die Bezeichnung "Österreichisches Nationalmuseum" ist eine doppelte Fehlanzeige. Österreichs Geschichte beginnt, auch wenn dies manchen nicht in den Kram passt, nicht erst 1918, auch nicht 1914 in Sarajewo. Dass die Verkürzung der Geschichte auf die der Republik das Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten erleichtert, glauben nur Illusionisten oder Heuchler, das Gegenteil ist wahr.

Nur wenn Österreich seine Rolle im Europa des 19. Jahrhunderts kritisch unter die Lupe nimmt, seine Konfrontation mit den neuen Nationalismen, seine inneren und äußeren Konflikte, die Wurzeln des hiesigen Antisemitismus und Deutschnationalismus, aber auch die Rolle Wiens als "Labor der Moderne" um 1900, kann es als vollwertiger Partner im neuen Europa agieren.


4. Die Bezeichnung "Nationalmuseum" ist gerade im Fall Österreichs mit seiner verspäteten Nationsbildung überholt. Ein "österreichisches Nationalmuseum" würde nur der Selbstprovinzialisierung Österreichs Vorschub leisten und die heute geforderte kritische Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der eigenen Geschichte verhindern.


5. Bei allen diesen gravierenden sachlichen Einwänden zählt die Person des zuletzt genannten wahrscheinlichen Direktors schon gar nicht mehr. Der Grazer Zeithistoriker Stefan Karner wähnt sich dieses Postens schon seit Jahren so sicher, dass die meisten Historiker an einer Konsenslösung von Anfang an zweifelten. Ohne internationale Ausschreibung ist jedoch ein solcher Schlüsselposten der Republik nicht zu besetzen.


Den bisherigen Versuchen, ein "Haus der Geschichte" als einen Ort der österreichischen Selbstvergewisserung im neuen großen Europa und als ein Forum des öffentlichen Diskurses im Konsens aller politischen Kräfte zu schaffen, erteilt Wolfgang Schüssel mit seinen nun vorgelegten Plänen eine rüde Abfuhr. Er desavouiert damit auch Bundespräsident Fischer, der in seiner Neujahrsansprache für ein Haus der Geschichte jenseits des Parteienstreits plädiert hatte, den Ersten Nationalratspräsidenten Andreas Khol, der im Jahr 2004 auf der Sitzung eines überparteilichen Proponentenkomitees eine Konsenslösung versprochen hatte, und Bürgermeister Michael Häupl, der sich im Hintergrund um eine Konsenslösung bemüht hatte.

Mit einem "Haus der Geschichte", wie es die meisten österreichischen Historiker/innen (zuletzt Heidemarie Uhl im STANDARD vom 7. Jänner 2006) wollen, hat Schüssels "Nationalmuseum" jedenfalls nichts zu tun. Daher ist zu begrüßen, dass die Initiatoren der Ausstellung "Neues Österreich" am Konzept eines konsensualen "Hauses der Geschichte" festhalten und gegen ein "Nationalmuseum" der Firma Schüssel, Gehrer & Co. eine Unterschriftenaktion gestartet haben.

(DER STANDARD, Printausgabe, 03.03.2006)