Chr.
Joh.
Chr. Allmayer-Beck
Bitte, Schluss der Debatte!
Vor Kurzem stellte ein bekannter Historiker und ehemaliger
Leiters des Heeresgeschichtlichen Museums fest, dass "sein" Haus an
"räumlicher und inhaltlicher Auszehrung" leide (Die Presse vom
6.1.2006,S.30). Nimmt man das so, wie es da steht, dann kommt das einer
Bankrotterklärung gleich. Und zwar insofern als man mit dem bisher Vorhandenen
anscheinend nichts mehr anzufangen weiß und
für das neu Ankommende über keinen zusätzlichen Platz verfügt.
Nun ist das freilich nicht ganz ernst zu nehmen. Ein Museum wie das Heeresgeschichtliche ist ja kein Betrieb des Schausteller-Gewerbes, wo man eben das ausstellt und bietet, was man hat ,und damit ist es dann. Das Museum verfügt vielmehr über einen reichen Fundus und wäre zweifellos in der Lage' von sich aus, bei einiger Phantasie, sehr reizvolle Themen zu behandeln. Von einer inhaltlichen Auszehrung
kann wohl keine Rede sein. Aber der Platzmangel! Auch hier
wird wohl etwas zu schwarz gesehen. Denn einmal war es in der Vergangenheit
durchaus möglich, auch auf kleinem ,begrenzten Raum wichtige Themen
vorzustellen,' und zum anderen ist gerade in letzter Zeit etwas verschwenderisch
mit dem vorhandenen Platz umgegangen worden. Weniger ist manchmal besser als zu
viel. Es müssen ja nicht immer Großausstellungen sein. In den Augen einer auf
"Events" eingestellten Öffentlichkeit gelten Museen freilich als
reine Schaustellungen und die Museen selbst denken fast nur an die Quote der
Besucherzahl. Aber zwischen einem Museumsdirektor und Molnars Liliom , dem
"Hutschenschleuderer", bestehen doch gewisse Unterschiede.
Nichtsdestoweniger sind Unkenrufe, wie der oben angeführte
,zumal wenn sie von so kompetenter Stelle kommen und womöglich noch. durch
Argumente von Freunden und guten Bekannten bestätigt werden , geeignet auch an
höchster Stelle alarmierend zu wirken, wenn man sich dann eben auf nichts
anderes stützen kann. So zum Beispiel war der letzte Bundespräsident, der im
Amt und damit als Oberbefehlshaber des Heeres, das Heeresgeschichtliche Museum
betreten hat, Dr. Schärf gewesen. Das war immerhin vor rund 40 Jahren. Und der
letzte Bundeskanzler, den der Direktor durch das Haus führen durfte, war Dr.
Klaus. Trotzdem wäre das alles noch kein Grund anzunehmen, ein Heeresmuseum wäre
heute nicht mehr zeitgemäß.
'Wenn aber diese Ansicht wirklich geäußert worden ist,
dann wäre das doch ein sehr einsamer Gedanke. Von Madrid über Paris, London,
Warschau, Stockholm bis nach Moskau ist man keineswegs dieser Ansicht. Auch
kleine Länder wie Belgien oder die Niederlande betrachten ihre Militärmuseen
durchaus als zeitgemäß. In Deutschland investiert man zur Zeit Millionen in
den Ausbau des Militärmuseums in Dresden. Aber "bei uns in Bagdad“-
pardon in Österreich weiß man anscheinend nicht, dass gerade dieses kleine
Land über ein Militärmuseum verfügt, das zur europäischen Spitzenklasse gehört
und in der Fachwelt auch dafür bekannt ist, zumindest war. Der gut gemeinte
Versuch, in einem Schausaal des Heeresgeschichtlichen Museums, der eigentlich
dem Bundesheer der 1.Reuplik gewidmet sein sollte, durch ein paar Objekte
moderner Kunst zu einem Saal der allgemeinen Geschichte umzufunktionieren, ist
nicht sehr überzeugend ausgefallen. Was hier unternommen wurde und anscheinend
für das gesamte Museum erwünscht wird, ist der Versuch, eine über hundert
Jahre alten, aber kerngesunden Eiche, einen Zwetschkenbaum zu okulieren. Womit
nichts gegen gute Pflaumen einzuwenden ist. Das Ergebnis der Okulierung aber ist
voraussehbar: beide gehen dabei zu Grunde.
Das Heeresgeschichtliche Museum ist nun einmal von der
Gesamtanlage her wie auch seinem Inhalt nach ein Militärmuseum und seine
Angliederung an das Bundesministerium für Landesverteidigung ist durchaus
sinnvoll. Denn zum Unterschied zu den Bundesmuseen ist hier ein Ministerium, das
seinem Museum nicht nur Hilfe, sondern auch Material zukommen lassen kann, während
das Museum als Berater in militärhistorischen Fragen und zwar im weitesten
Umfang zur Verfügung stünde. Mit der Devise "Beton rein, Waffen
raus" ist einer erfolgreichen Zusammenarbeit natürlich nicht gedient.
Sicherlich ist im Heeresgeschichtlichen Museum, jenseits
jeglichem Militarismus, im Hintergrund auch die Kultur- und Sozialgeschichte des
alten Österreich, soweit sie das Militär betraf ,für den, der sehen will,
durchaus erkennbar. Rund ein Dutzend Nationen dienten in der k.u.k. Armee und
hatten ihren Anteil an der Entstehung und Erhaltung der einstigen "Großmacht".
Hier wird .ein europäisches Erbe verwaltet, hier ist noch etwas von dem
"ideellen" Österreich sichtbar, jenem Österreich, das mehr war, als
die Summe seiner Bundesländer.
Die Bundesländer freilich, die Keimzellen des heutigen Österreich haben alle ihre ganz spezielle Geschichte und damit auch. längst ihre historischen Landesmuseen. Ihnen womöglich ihre schönsten Federn ausreißen zu wollen, um damit ein zentrales Museum des "territorialen" Österreichs zu errichten, ergäbe noch lange kein "Nationalmuseum", sondern wäre eher eine "nationale" Katastrophe.
Vorbild wäre etwa das "Haus der Geschichte" in
Berlin . Dort. stülpte man dem alten preußischen Zeughaus, das eigentlich zur
Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" gehören würde und das sich bei
der Wiedervereinigung im Besitz der DDR. befand, aus verständlichen politischen
Gründen, das in Bonn befindliche "Haus der Geschichte“ einfach über.
Ganz abgesehen davon, dass dies keine befriedigende Lösung war, darf man nicht
übersehen, dass für dieses "Haus der Geschichte" sehr, sehr viel
Geld ausgegeben wurde, um Objekte, die noch greibar waren, anzukaufen. Billig
ist so etwas nicht. Und nicht nur das. Österreich ist nicht Deutschland. Das lässt
sich nicht kopieren.
Damit soll aber die Notwendigkeit eines gesamtösterreichischen
Historischen Museums selbstverständlich nicht geleugnet werden. Nur muss man
sich zunächst einmal klar sein, was man eigentlich will. Da schwirren die
verschiedensten Begriffe durch die Luft. Sicher muss sein, dass das
Heeresgeschichtliche Museum nicht "umgekrempelt" und dass den
Landesmuseen nicht Konkurrenz gemacht ;'werden soll. Es ist, also wohl an eine
Darstellung der neueren und neuesten Geschichte zu denken, wobei neben der
politischen Geschichte Wert auf Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, sowie
gesamtstaatliche Strukturen und Mentalitätsgeschichte zu legen wäre.
Zielgruppe, wäre eine im Grunde unhistorisch denkende Öffentlichkeit,
der auf diese Weise Basis und Entstehung der heutigen Republik Österreich
vorgestellt und damit vielleicht auch ein gewisses Staatsbewusstsein (nicht
Nationalbewusstsein) geweckt würde. Die hervorragende Ausstellung "50
Jahre Österreich" weist genau den richtigen Weg, der fortgesetzt werden
sollte.
Es ginge also um eine Dokumentation mit
Ausstellungscharakter und nicht um eine museale Präsentation. Als Betreiber könnte
man sich durchaus private Persönlichkeiten vorstellen , verstärkt von
Ausstellungsfachleuten und den jeweils zuständigen Historikern oder sonstigen
Wissenschaftlern. Für Ausstellungen dieser Art bräuchte man kein eigenes
Museum, sondern eire entsprechend große, leere (!) Räumlichkeit, möglichst
nahe am Stadtzentrum gelegen. Die ständige Leitung könnte eventuell aus einem
kleineren Institut bestehen, das die Ausstellungsprogramme erarbeitet und die für
die Durchführung notwendigen wissenschaftlichen und technischen Arbeiten
koordiniert. Und die Objekte? Die wären von Fall zu Fall als zeitlich genau
begrenzte Leihgaben von Museen, Sammlungen und Privatpersonen, gegebenenfalls
auch aus dem Ausland zu erbitten. Statt hoher Versicherungen hätte der Bund die
Garantie zu übernehmen.
Der wirklich hohe und unausweichliche Aufwand liegt im geistigen Bereich. Vor vielen Jahren, am Beginn der unendlichen Debatte hat der damalige Leiter des Heeresgeschichtlichen Museum eine seiner Ausführungen - sinngemäß - mit dem Satz beendet: "Denken wird man jawohl dürfen". Das traf den Nagel auf den Kopf. Jedoch man darf nicht nur, man muss, und das tiefer gehend als bisher.