Recycling des Gedankenjahrs                                        Der Standard 13.12.05

Die Initiatoren der Staatsvertragsschau im Belvedere wollen ihre Ausstellung als Grundstock für ein „Haus der Geschichte" verwenden. Kostenpunkt: rund 30 Millionen Euro.

 Barbara Tóth

Wien - Hannes Androsch ist derzeit als Handelsreisender in Sachen Geschichte unter­wegs: Viele Termine mit wich­tigen politischen Persönlichkeiten - allen voran Bundes­präsident Heinz Fischer,
Nationalratspräsident Andreas Khol, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Wiens Bürger­meister Michael Häupl und Niederösterreichs Landes­hauptmann Erwin Pröll - hat der Mitinitiator der großen Staatsvertragsschau im Belvedere für die nächsten Wochen eingeplant.

Sein Anliegen: die am Sonntag nach Verlängerung beendete Jubiläumsjahr-Ausstellung soll als Grundstock für ein österreichisches „Haus der Geschichte" weiter verwendet werden. „Wir müssen den Schwung mitnehmen und das Momentum ausnützen", argumentiert Androsch.

Bildunterschrift:
Ausrangiert: Der „Staatsvertrag-Balkon", Herzstück des 25-Peaces-Gedankenjahr-Projekts, hat am St. Marxer Schlachthof in Wien-Erdberg einen neuen Platz gefunden. Foto: Fischer

Mit Schwung meint er den Publikumserfolg der Ausstellung. Insgesamt 310.000 Menschen besuchten die Schau mit dem programmatischen Titel „Das neue Osterreich". 1.424 Schulklassen sind durch den von einem rot-weiß-roten Band verbundenen Rundgang vom Ersten Weltkrieg bis zum neuen Europa geführt worden.

 History sells 

Damit gehört die Ausstellung zu den größten Magneten des Jubiläumsjahres 2005. Zum Vergleich: Die Jubeljahr­Ausstellung auf der Schallaburg in Niederösterreich - die durchaus in Konkurrenz zu jener im Belvedere stand - sahen beachtliche 260.000 Menschen. Hugo Portischs TV-Dokumentation „Die Zweite Republik - Eine unglaubliche Geschichte" war ein Quotenschlager mit 4,5 Millionen Zusehern.

Geht es nach Androsch, soll nicht nur die Belvedere-Ausstellung, sondern auch die anderen Jubiläumsjahrschauen wie jene auf der Schallaburg oder im Jüdischen Museum in Wien in ein neues
„Haus der Geschichte" integriert werden. Mehrere Standorte kämen dafür infrage: etwa das Heeresgeschichtliche Museum im Wiener Arsenal, die ehemalige Staatsdruckerei in der Wollzeile oder das dafür auszubauende Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz. Auch ein Neubau auf dem städtebaulichen Entwicklungsareal zwischen Arsenal und Belvedere neben dem Südbahnhof wäre möglich.

Dann würden die Kosten - Androsch schätzt sie auf rund 20 bis 30 Millionen Euro für die Adaptierung eines bestehendes Hauses - allerdings auf 40 Millionen Euro explodieren. Auch Herbert Krejci, Ex-Chef der Industriellen-Vereinigung und Mitinitiator, ortet ein „riesiges, geradezu unbegrenztes Interesse an Zeitgeschichte". Deshalb sollte die Ausstellung nicht das letzte derartige Projekt sein. 

Die Schaustücke der Belvedere-Ausstellung werden fürs erste einmal zwischengelagert: Das Bundesheer übersiedelt sie in den kommenden Tagen in ein Lager ins Wiener Arsenal.


„Es wurde ein Kompromiss"                                                                          Die Presse 13.12. 2005

 „Das neue Österreich" ging zu Ende. Seine Proponenten jubeln. 

40 Prozent mehr Besucher für die österreichische Galerie Belvedere - die Veranstalter der Staatsvertrags-Schau „Das neue Österreich" waren am Montag sehr zufrieden mit der Bilanz, mit 310.000 Besuchern seit
16. Mai. Mit Wehmut, so Direktor Gerbert Frodl, verabschiedeten sich die Väter der Idee, Hannes Androsch, Herbert Krejci und Peter Weiser, sowie Staatssekretär Franz Morak und Günter Düriegl (wissenschaftliche Leitung) von der Schau, die die Geschichte der Zweiten Republik ungeschönt, aber doch mit Stolz präsentieren sollte. Viele der Exponate werden im Arsenal gelagert, man hofft auf Weiterverwertung, vielleicht in einem Haus der Geschichte. Die hämische Skepsis, mit der ein Auslandskorrespondent auf das Projekt reagierte, habe sich nicht bewahrheitet, sagte Androsch. Fs sei keine Jubel-Schau geworden, die Zusammenarbeit mit dem Büro Morak sei erstaunlich gut gewesen. Aus Notwendigkeit habe man sich bei der Auswahl stark beschränken müssen. „Trotz gelegentlicher Spannungen haben alle an einem Strang gezogen. Es ist ein Kompromiss geworden. Man kann Vergangenheit nicht bewältigen, nur verstehen." Krejci schwärmte von der Zeit des Aufbaus, vom riesigen Interesse an Zeitgeschichte. Einhellig verteidigt wurde die Ablehnung einer Broschüre für Schüler, die nach Intervention der Proponenten nicht in Umlauf gekommen war. Es habe darin mindestens „20 Fehler von angeblichen Historikern" gegeben, sagte Weiser. Androsch: „Wir hätten die Broschüre den Autoren geschenkt, sie wollten sie aber nicht." norb


Haus der Geschichte - Schüssel: Anbindung an HGM denkbar                                Apa 13.12.05 

Utl.: Bundeskanzler gegen Neubau - Heeresgeschichtliches Museum "verdient einen anderen Namen"  

Wien (APA) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) hat den Vorschlag des Industriellen Hannes Androsch, die verschiedenen Ausstellungen zum Jubiläumsjahr in einem "Haus der Geschichte" weiterzuführen, begrüßt. Einen Neubau müsse es dafür aber nicht unbedingt geben, sagte Schüssel am Dienstag nach dem Ministerrat. Er würde eine Anbindung an ein bereits bestehendes Museum begrüßen - etwa an das Heeresgeschichtliche Museum, "das sowieso einen anderen Namen verdient". 

Möglich wäre für den Bundeskanzler auch eine Anbindung an das Staatsarchiv oder an die Nationalbibliothek. Dass das Heeresgeschichtliche Museum die Staatsvertrags-Ausstellung im Belvedere jetzt sichere, sei "sinnvoll". Man solle aber nicht schon jetzt über einen Neubau und andere "Folgeschritte" reden, meinte der Kanzler, der im übrigen die Idee, ein "Haus der Geschichte" einzurichten für sich selbst reklamierte: Er selbst habe das schon "sehr früh" vorgeschlagen (bei seiner Regierungserklärung 2000). 

Androsch hatte am Montag vorgeschlagen, die Staatsvertrags-Ausstellung im Belvedere sowie ähnliche Ausstellungen auf der niederösterreichischen Schallaburg und im Jüdischen Museum in einem "Haus der Geschichte" zusammenzuführen. Als mögliche Standorte nannte Androsch das Heeresgeschichtliche Museum (HGM), die ehemalige Staatsdruckerei in der Wollzeile oder das Künstlerhaus am Karlsplatz. Für Androsch wäre auch ein Neubau möglich.

APA0373 2005-12-13/13:39


14.12.05

Markus Fauland: "Nationalmuseum kein geeigneter Ersatz für Heeresgeschichtliches Museum"

   Wien (OTS) - "Es gibt nichts gegen ein Projekt "Nationalmuseum" einzuwenden, aber auf keinen Fall soll es das Heeresgeschichtliche Museum ablösen", sagte heute der Abgeordnete des Freiheitlichen Parlamentsklubs Markus Fauland (BZÖ) über diesbezügliche Äußerungen von Bundeskanzler Schüssel.

Hier gehe es ja um so etwas wie eine Mischung aus einem "Haus der Geschichte" und einem klassischen "Nationalgeschichtsmuseum". "So ein Projekt kann wohl kaum das Heeresgeschichtliche Museum mit seinen umfassenden Sammlungen ersetzen", sagte Fauland. "Hätten Grasser und Bartenstein das Arsenal nicht unüberlegt verkauft, dann würde das Heeresgeschichtliche Museum nicht aus allen Nähten platzen und es würde sich auf dem weiträumigen Gelände auch sicherlich ein geeigneter Platz für ein Nationalmuseum finden lassen", so Fauland weiter. Die Platzsituation sei so dramatisch, dass bis vor kurzem noch Kanonen aus den Napoleonischen Kriegen in den Kellern des HGM verschimmelt seien. Die Reduzierung der Budgetmittel für das Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung lässt deren Leiter Stefan Karner zwar verständlicherweise nach neuen Aufgaben suchen, für ihn das Heersgeschichtliche Museum zu opfern, kommt aber auf keinen Fall in Frage", so Fauland abschließend.

Rückfragehinweis:
Pressereferat Freiheitlicher Parlamentsklub


Debatte über Nationalmuseum                                                                      Der Standard 15.12.2005 

Streitobjekt Heeresgeschichtliches Museum im Wiener Arsenal: Die ÖVP könnte sich eine Um­wandlung in ein neues Nationalmuseum vorstellen, das BZÖ nicht. Erweitert müssten die 7500-m2-Räume jeden­falls werden.

Koalition über Standort und Machart uneins, Kritik von SPÖ

 Wien - Die Debatte über die Schaffung eines Nationalmuseums sorgt für Verstimmung in der Koalition. Das BZÖ wandte sich am Mittwoch gegen die von Kanzler Wolfgang Schüssel angedachte Variante, ein Museum österreichischer Zeitgeschichte an das Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) im Wiener Arsenal anzugliedern.

Es gibt nichts gegen ein Projekt „Nationalmuseum einzuwenden, aber auf keinen Fall soll es das Heeresgeschichtliche Museum ablösen", meinte BZÖ-Abgeordneter Markus Fauland. Klubobmann Herbert Scheibner galt schon zu seiner Zeit als Verteidigungsminister als Skeptiker solcher Pläne. Der Hintergrund: Die Orangen argwöhnen, dass das neue Museum vor allem dem Grazer Historiker Stefan Karner zugute kommen soll, Der Kanzler-Vertraute, der bereits 1998 eine Historiker-Denkwerkstatt zu einem „Haus der Geschichte der Republik Österreich" leitete, sei als Museumsleiter im Gespräch. Dazu Karner auf Anfrage des Standard knapp: „Ich hab das in Ihrer Zeitung gelesen." 

Aus der Zeitung hat auch HGM-Vize-Chef Christian Ortner von den Plänen Schussels erfahren. „Insofern war das irritierend", sagt er. Das HGM ist auch jetzt schon im Umbruch: Gerade wird ein neues Gesamtkonzept erarbeitet.

 Die Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) warnt vor allem vor einer Vermischung der Begriffe: „Ein österreichisches Zeitgeschichtemuseum wäre wichtig, aber auf keinen Fall darf man das Projekt „Haus der Geschichte" nennen." Diese Bezeichnung sei vom Gründer des Jewish Welcome Service, Leon Zelman, geprägt worden. „Zelman wollte ein Holocaust-Museum, das, was jetzt geplant wird, ist etwas völlig anderes." (pm, tö)