Meinung:
Patriotisch?
                                                                                                                    
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VON HANS WERNER SCHEIDL (Die Presse) 25.10.2003

 Alle opfern sie wieder einen Sonntag. Sie tun es gern, die Spitzen des "offiziellen Österreich". Am Nationalfeiertag stehen nicht nur die Rekruten auf dem Heldenplatz habt Acht, sondern jeder, der sich mächtig wähnt, oder zumindest wichtig. Denn die TV-Teams sind auf Sendung.

Wenn die Scheinwerfer ausgeknipst sind, hört sich's mit dem patriotischen Überschwang sehr schnell auf. Die rotweißroten Fähnchen werden eingerollt - es offenbart sich ein Trauerspiel.

Für 15. Mai 2005 sollte eine Großausstellung im Künstlerhaus zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrags gestaltet werden. Im Auftrag der schwarz-blauen Regierung. Welches Datum wäre geeigneter, Reflexionen über eine 50-jährige Erfolgsstory zu versuchen? Sollte man meinen. Fünfzig Jahre in Frieden und Freiheit - kann man ermessen, welches Geschenk uns Heutigen da zuteil wurde? Ja, kann man einem jüngeren Österreicher überhaupt erklären, mit welch überschwänglichem Jubel wir 1955 dieses noble Geschenk der Weltpolitik entgegen nahmen?

5,8 Millionen Euro hätte die Jubiläums-Ausstellung gekostet. Viel Geld. Zu viel Geld für ein österreichisches Unterrichtsministerium. Dort war man regelrecht erleichtert, dass sich das großartige Projekt bereits im Vorfeld zerschlug, weil die Zunft der Historiker auf keinen grünen Zweig zusammenfand. Ehe noch die "austarierte" Arbeitsgruppe die Querschüsse jener parieren konnte,
die sich übergangen fühlten - blies die Unterrichtsministerin zum Rückzug. Zu allem Unglück starb ihr Sektionschef Peter Mahringer, der seine Chefin von dem unsäglichen Entschluss hätte abbringen können. Weil er offenbar als Einziger verstanden hatte, worum es ging: Um die Keimzelle für ein "Haus der Geschichte".

Es läuft vieles unrund im Staate Österreich. Es bedarf dringend eines Zeichens, dass es im Zusammenleben der Österreicher Wichtigeres gibt als Y-line-Aktien eines Ministers oder Unruhestifter in Kärnten oder pferdeflüsternde Staatspräsidenten. Die kommen und gehen. Mit einer einzigen mutigen Tat hätte sich Frau Gehrer die spätere Erinnerung ihrer Mitbürger sichern können. Man hätte ihren totalen Einsatz gerühmt, um die Ausstellung zu retten; ihr unermüdliches Bitten und Betteln beim Bundeskanzler, bei Sponsoren bis zur Selbstaufopferung. Das wäre patriotisch gewesen. Darf man von einem Mitglied dieser Regierung solches verlangen?

 hans-werner.scheidl@diepresse.com

 Für den Geburtstag der Neutralität gibt es keinen müden Euro, meint Frau Gehrer.