Pröll zeigt dem Bund, wie es geht


Nach jahrzehntelangem Zögern der Bundespolitiker zeichnet sich nun eine Wende ab: Das Haus der Geschichte der Republik wird in St. Pölten entstehen. Und 2017 eröffnet.

18.04.2014 | 18:32 |  von Hans Werner Scheidl  (Die Presse)

Niederösterreich ist Österreichs Kernland. Wo sonst sollte ein Haus der Geschichte also stehen?“ Nach Jahrzehnten freundlichen Nichtstuns des Bundes nimmt nun der niederösterreichische „Landeskaiser“ Erwin Pröll dieses Projekt in Angriff. In jeder Regierungserklärung stand es, nichts geschah seit den Sechzigerjahren, als erstmals an ein Österreichisches Geschichtsmuseum gedacht wurde. (Fast) keinem Berufspolitiker war das ein Anliegen. Die Ausrede war stets das fehlende Geld, aber es lag – was beweisbar ist – am fehlenden Geschichtsverständnis, auch an der Uneinigkeit der Historiker. Pröll zieht durch, was Wien sträflich vernachlässigt hat. „Das machen wir“, sagt er zur „Presse“. Ein Haus der Geschichte.

Das Landesmuseum im Regierungsviertel von St. Pölten wird bis 2017 umgebaut und erweitert. Es soll sich, wie Pröll erklärt, auf die Zeitgeschichte konzentrieren, die bildende Kunst wird an Krems abgegeben.

Seit mehr als zwölf Jahren versucht diese Zeitung, die Bundespolitiker zu mahnen, dass es eine Schande sei, sich der eigenen Geschichte so einfach zu verweigern; wie unverantwortlich es sei, immer neue Lehrergenerationen heranzubilden, zeitgeschichtlich völlig uninformiert oder – noch schlimmer – einseitig ideologisch programmiert. Und jeder zeigte sich im Gespräch durchaus einsichtig.

 

„Kommissionitis“ ohne Ende

Es wurden Historikerkommissionen eingesetzt, Papiere erstellt, interner Streit wieder ausgeräumt, linke Ideologen sanft ausgebremst – und dann war wieder nichts. Helmut Zilk und Hannes Androsch waren die Letzten, die von sich aus das Projekt unterstützten und auch Einfluss auf aktive Politiker nahmen. Aber weder Kanzler Schüssel noch der spätere Vizekanzler Wilhelm Molterer wurden in der Sache aktiv. Schüssel überließ die Sache seinen schwächsten Ministern – Gehrer und Platter. Damit war klar, dass daraus gar nichts werden sollte. Der nur kurze Zeit amtierende Wissenschaftsminister Hahn zeigte keinerlei Interesse, empfahl nur im Gespräch, sich das Börse-Gebäude anzusehen, vielleicht wäre das zu haben...

 

Gusenbauer war die Ausnahme

Seit dem Frühjahr 2006 mühten sich Historiker, Archivare und Museumsdirektoren mit der Entwicklung eines Konzepts. 22 prominente Persönlichkeiten, an der Spitze Manfried Rauchensteiner, Stefan Karner, Günter Düriegl, Mario Christian Ortner, Kurt Scholz, Manfred Jochum, opferten kostenlos ihre Arbeitszeit – einem Phantom. Im Juni 2007 lieferten sie schließlich dem Kanzleramt eine Roadmap ab. Im November 2008 beauftragte Kanzler Gusenbauer – schon im Abgehen – Profis mit einem Detailkonzept, die Arge Haas Beratung für Museen und Kultureinrichtungen und LordEurop Cultural Ressources. Binnen drei Monaten sei der Auftrag zu erledigen. Ende 2009 sollte ein Architektenwettbewerb stattfinden...

 

Geschichte ab 1848

Rund 300.000 Euro sind inzwischen in diverse Vorstudien geflossen. Vier Ministerien mussten sich diese Summe zähneknirschend teilen. Aber zu wesentlichen Ergebnissen hat dies alles nicht geführt: Das Haus sollte in Wien stehen, schrieb man in jede Regierungserklärung. Neu war nur der Umstand, dass Österreichs Historie nicht erst 1955, nicht 1945, auch nicht 1918, sondern schon im Revolutionsjahr 1848 beginnen solle.

Nach all diesen unerquicklichen, zögerlichen, desinteressierten Finten der Wiener Politiker nun also die Wende. Wenn alles klappt, kann die Republik 2018 ihren hundertsten Geburtstag gebührend feiern. In St.Pölten. Die oben namentlich genannten Politiker sollte man dann lieber nicht einladen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)