Michael
Göbl, Wien Propaganda
in den Wappen der Habsburger Monarchie Angesichts
der uns täglich überflutenden Werbesendungen aller Art, seien es politische,
wirtschaftliche oder von privater Seite, so denkt man unwillkürlich Propaganda
sei eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Die eindrucksvollen Plakate und Symbole
des Ersten und Zweiten Weltkriegs oder der Russischen Revolution haften ebenso
im Gedächtnis wie die politische Propaganda der totalitären Diktaturen oder
des Kalten Krieges. Propaganda,
so wie wir sie heute erfahren und verstehen, hat sich erst im vergangenen
Jahrhundert zu dem entwickelt was sie heute ist. Sie entstand in der Folge der
Massenbewegungen und der demokratischen Entwicklungen, als die öffentliche
Meinung als wichtiges Mittel der Politik, als entscheidende Waffe des
politischen Kampfes, erkannt wurde. Traurige Berühmtheit erlangte der Begriff
der Propaganda zur Zeit des Dritten Reiches, als dieses Instrument zu einer mit
allen Mitteln der Psychologie arbeitenden Propagandamaschinerie ausgebaut wurde.
Propaganda
ist ein Produkt der modernen Zeit und geht einher mit den Entwicklungen auf dem
Mediensektor. Propaganda ist aber nur dann wirklich erfolgreich, wenn die
entsprechenden Möglichkeiten der Verbreitung vorhanden sind. Insofern kann man
unsere Propagandamaßstäbe nicht so ohne weiteres in die Zeit des Mittelalters
und der Neuzeit übertragen, da es damals andere Ausdrucksformen und andere
Medien der Verbreitung gegeben hatte. Auch muss man berücksichtigen, dass die
Zielgruppen der Propaganda andere und weniger Personen waren, als heute. In
einer Zeit als nur die wenigsten Menschen lesen und schreiben konnten, bildeten
neben Worten und Bilder vor allem Symbole das klassische Repertoire der
Propaganda, darunter werden vor allem Siegel, Wappen, Fahnen und Zeichen
gerechnet, die in ihrem einfachen Aufbau und meistens gleichbleibendem
Bildinhalt leicht zu verstehen sind. Uns
interessieren hier vor allem die heraldischen Symbole in allen ihren
Erscheinungsformen. Unter
politischen Botschaften bzw. politische Propaganda versteht man auch im
Mittelalter in der Regel die Bildung und Beeinflussung der öffentlichen
Meinung. Diese Propaganda zielte vor allem auf die Absicherung von Eroberungen,
seien sie militärischer oder genealogischer Art, oder auch auf die Verteufelung
von Gegnern.[3]
Im Sinne dieser Vorstellung entstand auf dem Gebiete des Wappenwesens der
Begriff des Anspruchswappens, das bedeutet, dass die Bildinhalte des Schilds den
Anspruch des Wappenträgers auf die nicht in seinem Besitz befindlichen Gebiete
und Titel bekräftigen sollen. Die Führung derartiger, Anspruchswappen lässt
sich allgemein seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts beobachten.[4]
Ein
hervorragendes Beispiel aus der Zeit des Mittelalters stellt der junge
habsburgische Herzog Rudolf IV., der Stifter, dar, der es meisterlich verstand
mit verschiedenen Initiativen und Symbolen sein politisches Herrschaftsprogramm
zu bewerben, darunter beispielsweise mit dem Bau einer königsgleichen
Kathedrale, dem Stephansdom, oder der Gründung der Wiener Universität. An der
östlichen Peripherie des Reiches gelegen, in einem Herzogtum ohne großes
politisches Gewicht wollte er die Position der Habsburgerdynastie verbessern,
Rudolf ahmte den König nach, um ihm nahe zu rücken und selbst eine königsähnliche
Rolle zu spielen. Da der schon 1245 bestandene Plan Österreich zum Königreich
zu erheben, nicht geglückt war, wollte sich Rudolf - gut hundert Jahre später
- wenigstens mit königlichen Symbolen schmücken, indem er für den Herzog von
Österreich zum Fürstenhut eine Zackenkrone samt einem Kreuz, wie es die
deutsche Reichskrone zierte, beanspruchte.[5]
Reitersiegel
Herzog Rudolfs IV., Vorder- und Rückseite Das
Siegel Herzog Rudolfs IV. von Österreich wird derart zum klassischen Beispiel für
den Ausdruck eines Anspruchs und gesteigerten Selbstbewusstseins. Kaiser Karl
IV. hatte die deutsche Königswahl in der Goldenen Bulle 1346 geregelt und dabei
die Habsburger übergangen, obwohl Herzog Rudolf, sein Schwiegersohn war.
Deshalb wollte sich Rudolf selbst doch wenigstens eine kurfürstengleiche
Stellung zulegen. In seiner Siegelwerkstatt ließ er zunächst ein
doppelseitiges Siegel, ein sog. Münzsiegel, das im Reich damals außergewöhnlich
war, schneiden. Auf der Rückseite ließ sich Rudolf traditionellerweise zu
Pferde abbilden; Siegel
Herzog Rudolfs IV. Siegel
Herzog Rudolfs IV., Ausschnitt In
seinem nächsten Siegel hat sich Herzog Rudolf IV. propagandistisch und mit
seinem Erscheinungsbild sehr zurückgehalten und geradezu bescheiden, nur mit
dem schlichten rot-weiß-roten Bindenschild und dem Pfauenstoß in der Helmzier
gesiegelt. Reichswappen
– Reichsadler Als
Erzherzog Friedrich (1415-1493) 1440 zum römischen König gewählt wurde, legte
er dem einköpfigen Reichsadler zum ersten Mal einen Schild auf die Brust, und
zwar den österreichischen Bindenschild. Es handelte sich um ein Siegel auf
einer Urkunde des Bergsiegels des Amtes Mödling, datiert vom 20. Sept. 1452. [10]
Die Symbolik des Adlers wird daher unwillkürlich erweitert und mit einem
weiteren Element versehen, dem persönlichen Zeichen eines Herrschers, das sein
genealogisches Herkommen widerspiegelt. Die Machtbasis der Habsburger war jedoch
noch eine ziemlich schmale, weshalb die ab der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts einsetzende sprichwörtlich gewordene habsburgische Heiratspolitik,
die einen Aufstieg des Hauses Habsburg in die erste Liga der europäischen Fürsten
bewirkte, sich auch auf das Wappenwesen niederschlug und damit auch auf dessen
Propagandawirkung. Die
erste Etappe des Machtzuwachses wurde 1477 mit der Heirat Maximilians mit Maria
von Burgund (1457-1482) geschaffen. Maria war die einzige Tochter Herzog Karls
des Kühnen und erbte nach seinem Tod das gesamte burgundische Territorium.
Infolge der Eheschließung wurde das habsburgische Wappen gespalten, von Österreich,
also der rot-weiß-rote Bindenschild, und Burgund, der von Gold und Blau fünfmal
schräggeteilte Schild mit roter Bordüre, und so erstmals zu einem
genealogischen Schild erweitert.[11]
Patent
Kaiser Maximilians I. 1516 Als
Maria schon 1482 an den Folgen eines Reitunfalls starb und das Erbe an ihren
Sohn Philipp überging, blieb das Wappen unverändert im Gebrauch und wurde zu
einem Symbol der Behauptung gegenüber Frankreich. Denn der Großteil des
burgundischen Erbes konnte erst nach langjährigen blutigen Auseinandersetzungen
mit Frankreich sicher in habsburgischer Hand behalten werden. Fahne
des Heiligen Römischen Reiches (Schwarzweiß) Auch
die Fahne des Reiches wurde entsprechend angepasst. Wir sehen einen schwarz-weißen
Holzschnitt von 1545, gestaltet von Jacob Köbel. Die Reichsfahne wird von einem
von der Fahne verdeckten Fahnenschwinger in Landsknechtmontur in ganzer Figur
gezeigt, vor dem Hintergrund einer stilisierten Landschaft. Die gelbe Fahne trägt
den schwarzen Doppeladler des Reiches, der den genealogischen Schild des
Kaisers, von Österreich und Burgund gespalten, trägt.[12] Die
zweite Etappe auf dem Weg zur habsburgischen Großmachtstellung erfolgte mit der
Heirat Philipps des Schönen mit der spanischen Thronerbin Johanna im Jahre
1496. Damit erweiterte sich der Besitz der Familie nicht nur auf die iberische
Halbinsel und Süditalien, sondern auch auf die spanischen Besitzungen in Übersee.
Die dritte Etappe gelang dann völlig überraschend im Jahre 1526 als König
Ludwig II. in der Schlacht bei Mohács gefallen war und die österreichischen, böhmischen
und ungarischen Länder durch getroffenen Erbvereinbarungen unter Ferdinand I.
vereinigt wurden. Dieses
Anwachsen der habsburgisch dominierten Ländergruppe binnen weniger Jahrzehnte
und deren Teilung in zwei Linien, in die spanische nach Karl V. und in die österreichische
nach Ferdinand I., machte auch auf dem Gebiet der dynastischen Heraldik eine
Unterscheidung nötig. So führten die spanischen Habsburger die Wappen der Königreiche
Kastilien und Leon, von Aragon und Sizilien vor den Wappen der österreichischen
Erbländer, während bei den österreichischen Habsburgern die Wappen der Königreiche
Ungarn und Böhmen vor den spanischen Ländern dominieren. Wechselseitig
stellten dabei die Wappen der jeweils anderen Linie innerfamiliäre
Anspruchswappen dar. [13] Polizeiordnung
Niederösterreichs 1566 Detail
aus der Polizeiordnung Niederösterreichs 1566 Guldiner Maximilians I., 1511, Maria
Theresien Thaler, 1741 Maria
Theresias wird ab 1765, dem Todesjahr ihres Gatten Kaiser Franz I., mit dem
Witwenschleier abgebildet. Auf der Wappenseite gab es auch weiterhin noch den
von Österreich und Burgund gespaltenen Schild, da es sich dabei um eine Prägung
aus den österreichischen Niederlanden handelte. Die dort geläufigen Goldmünzen,
der doppelte und einfache Souverain d’or, wurden schließlich auch in Wien
geprägt. Doppelter
Souverain d’or, 1772 Die
Praxis möglichst alle einmal im habsburgischen Besitz gehabten Länder in einem
Wappen zu vereinen zieht sich durch alle Jahrhunderte bis zum Ende der Monarchie
1918. Damit wurde nicht nur dem Bestreben nachgegeben, die historisch-politische
Individualität jedes einzelnen der österreichischen Erbländer heraldisch zum
Ausdruck zu bringen, sondern man erzielte auch eine propagandistische Wirkung über
die Größe und die Vielfalt der Monarchie. 32 Jahre nach Schaffung des Österreichischen
Kaisertums, wurde im Jahr 1836 die große Kategorie des Staatswappens zum
letzten Mal geschaffen, wobei darin nämlich noch immer Anspruchswappen der Königreiche
Jerusalem, Kastilien, Leon, Aragon, Indien, Bulgarien oder Serbien, zu sehen
waren, die schon mehrere Jahrhunderte zuvor verloren gegangen waren.[16]
Bei diesen Wappen kann man nicht mehr von Anspruchswappen sprechen, da die
entsprechende Machtbasis diese Länder auch tatsächlich zu beanspruchen nicht
mehr gegeben war, sondern mehr von Erinnerungswappen. Gleichwohl muss
festgestellt werden, dass der Verbreitungsgrad dieser Wappenabbildung ein
geringer war und mehr aus traditionellen Gründen gestaltet wurde, ein großer
propagandistischer Effekt konnte mit diesem Schild nicht mehr erreicht werden.
Ausschnitt
aus dem Staatswappen 1836
Vor
allem auf den schriftlichen Publikationen ist hinsichtlich des Reichsadlers als
Wappentier eine Veränderung zu beobachten, die abgesehen von den künstlerischen
Entwicklungen und Moden, in Zusammenhang mit der habsburgischen Außenpolitik
gebracht werden kann. Außer den Reformations- und
Gegenreformationsstreitigkeiten, können zwei Konstanten in der Politik der
Habsburger-Monarchie bis zum Ende des Alten Reiches beobachtet werden: Das ist
einerseits der Kampf gegen die Osmanen im Südosten und andererseits gegen den
Erbfeind Frankreich im Westen, das sich durch die habsburgische Heiratspolitik
ständig eingekreist fühlte. Der
gallische Hahn im Fang des Adlers, 1544 Im
Kampfe gegen die Türken Das
zweite immer wiederkehrende Thema war der Ansturm der Osmanen aus dem Südosten.
Nach dem ersten Auftreten der Osmanen in Europa im 14. Jahrhundert, hatte sich
die „Türkengefahr“ zu einem gesamt-europäischen Problem entwickelt. Bis
zum Jahr 1526 hatte Ungarn für den Rest Europas gewissermaßen als Schutzschild
vor den Osmanen fungiert. Nach dem Tod König Ludwigs II. in der Schlacht von
Mohacs erbten jedoch die Habsburger die Hauptlast der Türkenabwehr. Mit der
Residenzstadt Wien war zugleich auch das Territorium des Heiligen Römischen
Reiches unmittelbar bedroht, weshalb die Kaiser aus dem Hause der Habsburger
immer wieder auf Reichstagen Unterstützung für ihren Abwehrkampf anforderten.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieb die Bekämpfung der Osmanen eine
Konstante in der Politik der Habsburgermonarchie, die ihren propagandistischen
Ausdruck in verschiedenen Druckwerken fand. Allen voran sind die Patente und
Flugschriften zu nennen, die die größte Breitenwirkung erreichten. Türkenflugschrift
1598 Wappen
Schwarzenberg Ein
ähnliches Beispiel mit noch erweitertem Symbolinhalt, kann auch bei der
folgenden Wappenabbildung gezeigt werden. Bei der zweiten Wiener Türkenbelagerung
1683 spielte Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg als Stadtkommandant von Wien
eine bedeutende Rolle. Für seine erfolgreiche Verteidigung war ihm 1686 eine
Wappenbesserung gewährt worden, die auf seine Tätigkeit Bezug nahm. Als
Wappenfigur wählte er sich den Südturm des Stephansdoms, den höchsten Punkt
der Stadt, der ihm als Beobachtungsposten gedient hatte. Ein feuerspeiender
Panther hält triumphierend einen abgehauenen Türkenkopf empor, der sowohl im
Herzschild, als auch in der Helmzier zu sehen ist.[20] Wappen
Starhemberg, 1686 Landkarte
mit Adler und türkischen Zeichen
Wappen
Dipolter 1822 Mit
dem Nachlassen der osmanischen Bedrohung ließ auch die Attraktivität nach,
durch türkische Symbole auf die Kämpfe mit der Hohen Pforte hinweisen zu
wollen. Ebenso ist ein Rückgang der Dramatik bei der Gestaltung der
Schildfiguren zu beobachten. Ein Jakob Dipolter von Dipoltswalden erhielt 1822
den einfachen Adelsstand wegen seiner 43 jährigen Dienstzeit als kaiserlicher
Offizier und wählte den Halbmond um auf seine ersten militärischen Sporen
hinzuweisen, die er am Anfang seiner Karriere im letzten Türkenkrieg 1788-1790
erreicht hatte.[22] Magnatenverschwörung
1670/71 Die
Unzufriedenheit der Ungarn in der Habsburgermonarchie war bis zu deren Ende 1918
latent vorhanden, obwohl es die Ungarn als einzige der vielen Völker der
Monarchie verstanden haben, sich eine gewisse Selbständigkeit zu bewahren. Nach
dem sog. Ausgleich von 1867 wurde die Monarchie zu einer Doppelmonarchie und das
Königreich Ungarn durfte einen nahezu selbständigen Staat bilden, trotzdem nun
die Ungarn ihr Schicksal halbwegs akzeptierten, entstanden alsbald viele weitere
Schwierigkeiten auf anderen Gebieten. Von
den vielen politischen Karikaturen, die im 19. Jahrhundert bis zum Ersten
Weltkrieg die Auseinandersetzung der Nationen in der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie prägten, möchte ich stellvertretend diese Abbildung aus der
satirischen Zeitschrift der „Die Muskete“, mit einer Karikatur knapp vor dem
Ersten Weltkrieg, zeigen. Karikatur
in der „Muskete“: Ungarn und der Doppeladler Das
Bild des kämpfenden Doppeladlers, herausgelöst als selbständige Tierfigur,
wurde auch noch im Ersten Weltkrieg gezeigt. Beim Entwurf von neu gestalteten
Ordensdiplomen, einerseits dem Maria Theresienorden mit Kriegsdekoration,
andererseits dem Franz Josephsorden mit der Kriegsdekoration, zeigt der Maler
Ludwig Michalek den Doppeladler, der gegen die Schlangen, die das Böse des
Krieges verkörpern, kämpft.[26] Franz Joseph Orden 1915 Der
Holzschnitt „Deß Adlers und des Löwen Kampff“ stammt aus dem Krieg um Böhmen
zu Anfang des 30-jährigen Krieges und soll darstellen, wie die Gegner um die
Wette von verschiedenen Seiten her die Treppen zur bekrönten Siegessäule
hinaufeilen, gehindert von den jeweiligen Verbündeten des anderen. Das Spiel
erscheint noch offen und wird mit geradezu paritätischer Unparteilichkeit als
Wettkampf präsentiert. Aber der Kaiseradler als gleichrangiger Wettbewerber mit
dem böhmischen Löwen erscheint doch ziemlich ungewöhnlich und stellt eher
eine Ausnahme dar. Sonst wird nämlich der Adler immer in triumphierender oder
wachender Pose gezeigt.[29] Für
das Verpacken einer politischen Botschaft in eine Fabel, bei der die
verschiedenen Tiere für die gegeneinander kämpfenden Parteien und Staaten
standen, boten sich allegorische Historienbilder und Bildsatiren an. Die
Vieldeutigkeit machte genau den Reiz der allegorischen Historienbilder und
Bildsatiren aus und wurde ebendeshalb gesucht. Sie erklärt sich nicht zuletzt
auch aus der Angst der Künstler und Verleger vor möglicher Zensur und
Verfolgung. Die Doppelbödigkeit bedeutete ein mögliches interpretatorisches
Schlupfloch ins Unpolitische. [30] Tierfabel im Spanischen Erbfolgekrieg Ein holländischer Künstler, Romeyn de Hooghe, griff in diese Auseinandersetzung mit seiner politisch-satirischen Zeitschrift AESOPUS IN EUROPA ein, indem er das Ausmaß der französischen Bedrohung vor Augen stellte und für eine aktive anti-französische Bündnispolitik mit dem Ziel des bewaffneten Konflikts bewarb. In einer geradezu prophetischen Weise, die eigentlich bis heute Aktualität besitzt, kleidete er die von ihm aufgestellte These, dass Europa niemals unter der Herrschaft eines einzigen stehen soll, in eine Fabel ein. Einige Tiere haben sich im Kampf gegen den Tiger (Frankreich/ Ludwig) und die im alliierten Panther verbündet, beschneiden ihm die Krallen und brechen ihm die Zähne aus. Der niederländische Löwe verteidigt seinen eingezäunten Garten und hat zwei angreifenden Panthern/ Tigern die Köpfe abgerissen. Im Hintergrund tanzt die internationale Tiergemeinschaft nach dem Sieg über den Tyrannen um einen Freiheitsbaum. Das Denkmal am rechten Bildrand mit der Aufschrift SIC PAX CUM TIGRIBUS ESTO (So macht man Frieden mit den Tigern) verpflichtet die Verbündeten nach der am Feind vollzogenen Strafe auf den gemeinsamen Friedensauftrag.[31] Sub
umbra alarum tuarum Propaganda
in den privaten Wappen Eine
Reihe von Offizieren, die in dieser Zeit dienten und auf Grund ihrer langen
Dienstzeit den Adelsstand erhielten, gingen in ihren Wappenfiguren mehr oder
weniger auf die militärischen Auseinandersetzungen mit Frankreich ein. Wappen
Fröhlich 1827 Der
Oberleutnant Joseph Fröhlich, der 1827, nach mehr als 35-jähriger Dienstzeit
in den Adelsstand erhoben wurde, verleiht seinem Schild eine gewisse symbolische
Dramatik. Die auf einem Hügel aufgepflanzte Fahnenstange mit rot-weiß-blauer
Fahne, die französische Trikolore, wird von einem geharnischten Säbelarm mit
einem Hieb in der Mitte gebrochen. Damit soll jene Szene emblematisch
dargestellt werden, bei der sich der Adelserwerber im Jahr 1799 heroisch
ausgezeichnet hatte. Trotz heftiger Gegenwehr war dem damaligen Oberleutnant die
Erstürmung eines französischen Brückenkopfes im Elmtal gelungen. Das Brechen
dieser französischen Abwehrstellung wird in seinem Schild mit dem Spalten der
Trikolore zum Ausdruck gebracht. Die fünf Sterne, die um die Spitze des
Schwertes gruppiert sind, sollen seine fünf Söhne sein, denen er damit ein
„aufmunterndes Beispiel und dankbare Erinnerung“ geben will. [36] Propaganda
auf dem Gebiete der Staatssymbolik ist auch im privatwirtschaftlichen Bereich
feststellbar. Kein Land besaß zur Mitte des 19. Jh. so gute Voraussetzungen für
Auslandsinvestitionen wie England. Londons führende Rolle bei Kolonisierung, Außenhandel,
Industrieentwicklung sowie Eisenbahn- und Schiffsbau bewirkte, dass britische
Privatunternehmer zwischen 1855 und 1914 die Auslandsanlagen beinahe
verneunfachten. In diese Zeit fällt die Gründung einer britischen Bank im
Kaiserreich Österreich, die Anglo-Austrian Bank, die schon zwanzig Jahre später
eine der größten und wichtigsten Banken der Österreichisch-Ungarischen
Monarchie werden sollte.[37]
Wappen
Großbritannien Wappen
Seidler 1871 Wappen Kaska 1902 Ein
anderes Beispiel von Zitaten staatlicher Heraldik stellt das Wappen des Franz
Kaska dar. Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem jüngeren Bruder Kaiser Franz
Josephs, war von den europäischen Mächten 1864 die Krone Mexikos angeboten
worden. Vor allem der französische Kaiser Napoleon III. hatte sich für dieses
Projekt stark gemacht. Mexiko war jedoch in einem langjährigen Bürgerkrieg
zwischen Großgrundbesitzern, republikanisch gesinnten Oppositionellen und der bäuerlichen
Bevölkerung innerlich zerstritten und die zugesagte europäische Hilfe im Kampf
gegen die Aufständischen blieb bald aus. In seiner Verzweiflung suchte
Erzherzog Maximilian in der Stadt Queretaro Zuflucht, kämpfte mit den
verbliebenen Legionären und wenigen mexikanischen Anhängern einen
aussichtslosen Kampf und wurde schließlich 1867 zum Tode verurteilt. Einer
seiner Getreuen war der Apotheker Franz Kaska, der 1864 in das
Freiwilligen-Korps Kaiser Maximilians von Mexiko eingetreten war. Nach dem
Untergang des Kaiserreiches blieb er in Mexiko, gelangte in den Besitz einer
Apotheke und nahm sich der dort lebenden Österreicher an, wobei er stets darum
bemüht war, die Erinnerung an Maximilian, wach zuhalten. Schließlich erwarb er
sich das Vertrauen der mexikanischen Regierung und trat für die Wiederaufnahme
der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Mexiko ein. Wegen
dieser Bemühungen und seiner Verdienste um den Bau der Gedächtniskapelle in
Queretaro wurde er u.a. durch die Erhebung in den Freiherrenstand 1902
ausgezeichnet. In symbolischer Anlehnung an seine Anstrengungen um eine Aussöhnung
der beiden verfeindeten Staaten Mexiko und Österreich-Ungarn gestaltete er sein
Wappen, indem er die beiden Staatssymbole, den Doppeladler und den mexikanischen
Adler, mit der Klapperschlange im Schnabel, mittels eines blauen Sternenbandes
zusammenfügte. [39] Die
beiden letzten Wappen führen uns bereits in die Zeit des Ersten Weltkriegs, als
die nationalistisch motivierten Auseinandersetzungen militärisch ausgetragen
wurden. Wir haben schon zuvor gesehen, dass nationale Personifikationen gerne
mit Hilfe von Tiergestalten verkörpert wurden, die entweder der nationalen
Heraldik oder der heimischen Fauna entnommen sind. Bei dem hier gezeigten Bären
handelt es sich um den russischen Bären, einem Tier, das zwar in der russischen
Staatsheraldik überraschenderweise nicht vorkommt, jedoch in der Tierwelt
Russlands große Bedeutung erlangt hat. In Russland selbst ist die Gestalt des Bären
als nationale Personifikation nicht gebräuchlich, umso mehr dafür im Ausland. [40]
Der häufig in Karikaturen verwendete russische Bär fand auch seinen Eingang in
die private Heraldik. Vor allem zur Zeit des Ersten Weltkriegs, als die militärische
Auseinandersetzung mit Russland für Österreich-Ungarn existentielle Bedeutung
hatte, findet man diese Tiergestalt in den Wappen von geadelten Offizieren und
wird so zur propagandistischen Darstellung ihres heldenhaften Kampfes.
Wappen
Stary 1917 Das
Wappen des k. u. k. Oberst Otto Stary, der 1917 mit dem Prädikat „Edler von
Geisenhof“ geadelt wurde, zeugt von diesem Kampf, der auf dem Wappen
symbolisch dargestellt wurde. Der Oberst hatte an der Ostfront in den Karpaten
gekämpft und mit seiner Einheit mehrmals dem Ansturm der russischen Armee
standgehalten. [41]
Diesen tapferen Einsatz setzt er in seinem Schild symbolisch um: Der russische Bär,
der durch das Schwert getötet wird. Der schwarze Steinbock in der Helmzier soll
sein gewähltes Prädikat „Edler von Geisenhof“ ins Bild stellen. Er hatte
sich für diesen Namen entschieden, da er der Geburtsname seiner Mutter war, den
er auf diese Weise erhalten wollte. Wappen
Weisselberger 1916 Nicht
nur Militärpersonen, sondern auch der zivile Bereich war vom Krieg betroffen
und versuchte seine Sichtweise heraldisch wiederzugeben. Das Wappen als Mittel
zur Inszenierung einer Tiermetapher für das eigene Schicksal versucht der Bürgermeister
von Czernowitz Dr. Salo Weisselberger darzustellen. Im Ersten Weltkrieg war
Czernowitz schon im dritten Kriegsmonat von den Russen besetzt worden. Obwohl er
sich der Gefahren, die speziell ihm als hochpatriotischem Bürgermeister
mosaischen Glaubens drohten, bewusst war, blieb er in der Stadt und übergab sie
ordnungsgemäß. Die Russen beließen ihn zwar zunächst als Bürgermeister,
setzten aber 14 Tage später einen Zivilgouverneur ein. Unmittelbar danach wurde
Weisselberger aus seiner Wohnung nach Russland verschleppt und 14 Monate
gefangen gehalten. Erst ein mit Russland vereinbarter Austausch von Geiseln
bereitete seinen Qualen ein Ende. Sein Wappen versucht nun seine
Leidensgeschichte darzustellen: der russische Bär, der den Schlüssel der Stadt
Czernowitz (= er als Bürgermeister) über die Stadtmauer verschleppen will, und
von oben vom kaiserlichen Adler angegriffen und daran gehindert wird. [42] Am Ende unserer exemplarischen Reise durch die Vergangenheit der propagandistischen Heraldik der Habsburgermonarchie können wir resümierend folgendes feststellen. Schon seit ihrer Entstehung im Mittelalter wurde Wappen dazu verwendet, um Propaganda zu betreiben. Schon ihrer Urfunktion als Erkennungszeichen lag die Absicht zugrunde eine Botschaft auszusenden und sei es auch nur um sich von anderen unterscheiden zu können. Die dynastische und später staatliche Heraldik benutzte die Wappen durch ihre Verwendung auf Münzen, der in der frühen Neuzeit eine der größten Verbreitungen zukam. Die Wirksamkeit und die Aussagekraft als alleiniges Medium der Werbung für politische Ziele müssen jedoch als gering eingeschätzt werden. Heraldik trat meistens nur als zusätzliches Element zutage, wenn es darum geht einen bestimmten Bildinhalt näher zu bestimmen. Eine entscheidende Beeinflussung der Öffentlichkeit konnte durch den vergleichsweise geringen Verbreitungsgrad der Wappen jedoch nicht stattfinden. [1]
Karl Vocelka: Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. (1576-1612).,
(=Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs, Band
9, Wien 1981) S. 13; Konrad Fuchs und Heribert Raab: Wörterbuch Geschichte,
München 2002, S. 641f. [2]
Georg Scheibelreiter: Heraldik. (Wien/München 2006), S. 123f. [3]
Herwig Wolfram: Meinungsbildung und Propaganda im österreichischen
Mittelalter. In: Öffentliche Meinung in der Geschichte Österreichs. Wien
1979, S. 25 [4]
Franz-Heinz Hye: Programmatische Polit-Heraldik: Landeswappen,
Einheitswappen, Anspruchswappen. Abdruck in: Adler-Zeitschrift für
Genealogie und Heraldik 17/1994), S. 281-288, hier S. 284 [5]
Alois Niederstätter: Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter.
(=Österreichische Geschichte 1278-1411, hg. Von Herwig Wolfram, Wien 2004),
S. 149f [6]
Toni Diederich: Prolegomenea zu einer neuen Siegel-Typologie. In: Archiv für
Diplomatik 29(1983), S. 260f. [7]
Franz-Heinz Hye: Der Doppeladler als Symbol für Kaiser und Reich. In:
Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 81.Bd.
(Wien/Köln/Graz 1973), S. 77-80 [8]
Karl Zeumer: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Quellen und Studien
zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reichs Bad. 4, Weimar 1910, S.
313ff. [9]
Rolf Engelsing: Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des
Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft.
Stuttgart 1973, S. 32 [10]
Otto Posse: Die Siegel der Deutschen Kaiser und Könige von 751 bis 1806 Bd.
2 (1910), Tafel 28 2 und 3, S. 13 [11]
Haus-, Hof- und
Staatsarchiv, Einblattdrucke 1, Patent Kaiser Maximilians I. aus 1516. Das
Patent zeigt oben eine Wappenkomposition mit dem von einer Mitrenkrone
aufgelegten Reichswappen, dem Doppeladler mit aufgelegtem genealogischen
Wappen des Kaisers: Gespalten von Österreich und Burgund. In den vier Ecken
die Wappen von Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain. [12]
Sigmund
Feyerabendt: Wappen des heyligen Römischen Reiches Teutscher Nation als
keyserlicher und königlicher Mayestät, auch der Churfüsten, Fürsten,
Grafen, Freyherrn, Rittern und mehrer theil Stätt, so zu dem Reich gehören
und gehört haben.1579. Die erste Auflage dieses Werkes kam unter dem Namen
von Jacob Köbel, Stadtschreiber von Oppenheit, in der Druckerei von Cyriak
Jacobi in Frankfurt am Main 1545 heraus. Der im Buch gezeigte Holzschnitt
wurde anlässlich der Ausstellung „Österreich und das Heilige Römische
Reich“ in Wien im Haus-, Hof- und Staatsarchiv 2006, koloriert und als
Bild im Gruppentitel verwendet. [13]
Hye: Polit-Heraldik, S. 285 [14]
Karl Vocelka: Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. (1576-1612).
(=Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs, Band
9), Wien 1981, S. 37-39 [15]
Helmut Jungwirth:
Die Münzstätte Wien und das neuzeitliche Geldwesen in Österreich. In:
Geld. 800 Jahre Münzstätte Wien. Ausstellungskatalog 1994, S. 116 [16]
Hye, Polit-Heraldik, S. 284 [17]
Franz Gall, Österreichische
Wappenkunde (Wien 1992), S. 165 [18]
Tibor Simányi:
Ferdinand von Habsburg. Wien-München 1987, Tafel nach S. 240 [19]
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat, Denegata recentiora 889 [20]
Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Hofadelsakt Starhemberg 1686 [21]
Haus-, Hof- und
Staatsarchiv, Kartensammlung, Ke3-8/1 [22]
Allgemeines
Verwaltungsarchiv, Adelsarchiv, Hofadelsakt Dipolter 1822 [23]
Istvan György
Toth: Geschichte Ungarns (Budapest 2005), S. 277ff., Moritz Csaky: Die
ungarischen „Malcontenten“ und „Kuruzen“ – soziale und ökonomische
Aspekte ihrer Erhebung. In: Revolutionäre Bewegungen in Österreich (Wien
1981), S. 77ff. [24]
Karl Vocelka:
K.u.K. Karikaturen und Karikaturen zum Zeitalter Kaiser Franz Josephs.
(Wien-München 1986), S. 20 [25]
„Die Muskete“
vom 9. Mai 1912, Nr. XIV, S. 345 [26]
HHStA,
Kartensammlung, Ke3-Regal3 [27]
Alfred Kohler: Flugblatt und Streitschrift in der österreichischen
Reformation und Gegenreformation. In: Öffentliche Meinung in der Geschichte
Österreichs. Wien 1979, S. 34f [28]
Alfred Sturminger: 3000 Jahre politische Propaganda. Wien 1960, S. 163-165 [29]
Johannes
Burkhardt: Reichskriege in der frühneuzeitlichen Bildpublizistik. In:
Bilder des Reiches. Sigmaringen 1997, S. 63f. [30]
Wolfgang Cilleßen (Hgg): Krieg der Bilder. Druckgraphik als Medium
politischer Auseinandersetzung im Europa des Absolutismus
(Ausstellungskatalog 1997, Deutsches Historisches Museum Berlin), S. 15f. [31]
Cilleßen, Krieg
der Bilder, a.a.O., S. 346-351 [32]
Altes Testament,
Psalmen 17, 8 [33]
Arthur Heinkel und Albrecht Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst
des XIV. und XVII. Hahhunderts. Stuttgart 1996, 766f. [34]
Patent 1714,
Miltitärverpflegungsreglement für Ungarn [35]
Berthold
Waldstein-Wartenberg: Österreichisches Adelsrecht 1804-1918. In:
Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Band 17/18 (1964/65), S.
126 [36]
AVA, Adelsakt, Adelsstand für Josef Fröhlich vom 4.5.1827 mit „von
Elmbach“ [37]
Eduard G.
Staudinger u. Siegfried Beer: Die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien.
In: Die Habsburgermonarchie 1848-1918, hgg. v. Adam Wandruszka u Peter
Urbanitsch, Wien 1989, Bd. VI/1, S. 736f. [38]
AVA, Ritterstand für Adolf Seidler, datiert vom 2. März 1871 und
Freiherrnstand für denselben, dat. V. 4. Sept. 1882, wobei das Wappen keine
Veränderung erfuhr. [39]
AVA, Freiherrnstand für Dr. Franz Kaska, dat. V. 31. Aug. 1902 [40]
Manfred Lurker: Wörterbuch
der Symbolik. Stuttgart 1985, S. 522f. [41]
AVA, Adelsstand für
Otto Stary, datiert vom 15. März 1917, mit „Edler von Geisenhof“. [42]
AVA, Adelsstand für Dr. Salo Weisselberger, datiert vom 4. September 1917
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