Die
Frau und das Wappen im Hl. Römischen Reich und der Habsburger-Monarchie.
Der
deutsche Historiker und offiziöse Hofhistoriograph des preußischen Staates im
19. Jahrhundert Heinrich von Treitschke (1834-1896), der
seine historischen Arbeiten immer in den Dienst seiner politischen Ziele zu
stellen pflegte und eine objektive Geschichtsschreibung ablehnte, schrieb
einen bezeichnenden Satz, der in die große Welt der Zitate eingegangen ist: „Männer
machen die Geschichte". Diese Meinung war auch in der Geschichtsschreibung
lange Zeit von grundsätzlicher Bedeutung. Für Frauen war in der männerdominierten
Geschichte kein Platz vorgesehen. Erst die in den siebziger Jahren entstandene
Neue Frauenbewegung hat an die Selbstverständlichkeit erinnert, dass Geschichte
immer die Geschichte von Männern und Frauen gleichermaßen ist und dass eine
Geschichtsschreibung, die den Anteil der Frauen vergisst, eben nur die Hälfte
der Geschichte wiedergibt.[1]
Heinrich
von Treitschke Auf dem Gebiet des Wappenwesens ist die androzentristische Denkweise eine im System bedingte. Der Satz „Männer machen die Geschichte“ könnte man umso zutreffender auch auf das Wappenwesen übertragen: „Männer machen die Heraldik“. Herolde
auf Gemälde im Stiegenhaus des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien Die Entstehung der Wappen vollzog sich mit der weiteren Entwicklung der Waffentechnik, als durch die Vollrüstungen um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein weiteres militärisches Erkennungszeichen notwendig wurde. Da das Ritterhandwerk und das Heroldswesen eine reine Männerbeschäftigung war, blieb die Frau von der Verwendung eines Wappens zunächst ausgeschlossen. Erst der weitere Siegeszug des Wappenwesens gegen Ende des Mittelalters, der die ritterlich-militärische Notwendigkeit von Wappen als Erkennungszeichen in den Hintergrund treten ließ, bewirkte deren Übergreifen auch auf andere Kreise der Gesellschaft und wurde schließlich zu einem reinen Kennzeichen und Eigentumssymbol mit dekorativem Charakter. Siegel
der Elisabeth von Hülchrath Bald
nachdem die Vererblichkeit der Wappen im 13. Jahrhundert einsetzte, beginnt
deren Verwendung auch auf Siegeln. In den deutschen Ländern und in Österreich
sind Frauensiegel vor 1200 nur vereinzelt nachweisbar und nehmen erst gegen Ende
des 13. und deutlicher noch im 14. Jahrhundert zu.[2]
Über die Siegel, die schon viel früher in Gebrauch waren, und auch von Damen
verwendet werden konnten, kamen die Wappen auf die Siegel sowohl der adeligen
Damen, als auch der Frauen in der städtischen Gesellschaft, wobei jedoch keine
eigenen Wappen, sondern immer nur die Wappen des Vaters bzw. des Ehemannes benützt
wurden.[3]
Seit dem 15. Jahrhundert wurden die Siegel zur Massenware, deren Gestaltung
immer mehr von der Heraldik beeinflusst wurde.[4]
Die
Untersuchung die hier vorgestellt werden soll, bezieht sich vor allem auf die
Wappen, die im Zuge von Adels- und Wappenbriefen verliehen wurden. Mit einem
anderen Ausdruck werden diese auch als Kanzleiheraldik bezeichnet. Zeitlich
gesehen umfassen sie den Zeitraum des 15. bis zum 20. Jahrhundert, als die
Verleihung der Wappen und des Adels ein kaiserliches Reservatrecht war[5],
und die Ausfertigung der Diplome in der Hand der kaiserlichen Kanzlei und deren
Beamten lag. Aus diesem Grund könnte man die Heraldik wohl auch mit einem
anderen Ausdruck, nämlich als „diplomatische Heraldik“ bezeichnen. Im
Rahmen dieser Untersuchung wurde besonders den Fragen nachgegangen: Gibt es
Wappenverleihungen an Frauen und wie sahen diese aus? Kann man besondere
weibliche Merkmale feststellen? Als Hauptquellen kommen einerseits die Reichsregisterbücher in Betracht, die mit 1400 beginnen und in die alle Adels- und Wappenverleihungen eingetragen sind, die von den Kaisern und Königen des Heiligen Römischen Reiches gewährt wurden. Als zweite große Quellengruppe sind die Reichsadelsakten bzw. die Adelsakten der Habsburgermonarchie zu nennen, die zeitlich gesehen an die Reichsregister anknüpfen und bis zum Ende der Monarchie im Jahre 1918 reichen.
Wappen
Gundelfingen Der
älteste Nachweis einer Standeserhebung an eine Frau stellt die vom Römischen König
Ruprecht von der Pfalz im Jahr 1408 gewährte Erhebung der Gemahlin des Stefan
von Gundelfingen in den Stand der Freien dar. Obwohl Anna von Gundelfingen als
geborener Truchsess von Waldburg im Ministerialenstand war, führte ihre Heirat
mit dem Stefan von Gundelfingen, der dem freien Stand angehörte, noch zu keiner
Erhebung ihres eigenen Standes. Um nun ihr und ihren Kindern dieselbe Stellung
zukommen zu lassen, bedurfte es einer eigenen Erhebung in den Stand der Freien. [6]
Ein persönliches Wappen wurde ihr jedoch dabei nicht verliehen; die
Gundelfingen führten als freie Herren, den gedornten Schrägbalken als Wappen. [7]
Eine
weitere Verleihung an eine Frau fand unter König Ruprecht 1409 an eine Anna Zeißenkeim
und ihre Kinder statt. Anna lebte im gemeinsamen Haushalt des Kammermeisters und
Rats König Ruprechts des Rudolf Ritters von Zeissenkeim, und hatte mit ihm
mehrere zunächst uneheliche Kinder, die durch die nachfolgende Heirat zu
ehelichen gemacht werden mussten. Um ihnen nun den Stand des Vaters bzw.
Ehegatten zukommen zu lassen, wurde die Verleihung der Lehensfähigkeit, Ritter-
und Wappenmäßigkeit schon für ihre Mutter, die sich im bürgerlichen Stand
befand, notwendig. Ein eigenes Frauenwappen wurde ihr jedoch nicht erteilt.[8]
Untersucht
man die weiteren Adels- und Wappenverleihungen aus der Zeit von 1400 bis 1519,
in der älteren Serie der Reichsregisterbücher, so können keine eigenen
Wappenbriefe an Frauen festgestellt werden. Hingegen kommen mehrfach
Standeserhebungen von Frauen vor, die durch die Heirat mit einem Höherrangigen
ebenfalls die höhere Stellung erreichen wollten, damit ihre ehelichen
Nachkommen schon bei Geburt die gleichen Rechte genießen konnten. Auf die
gemeinsame Wappenführung hatte dies jedoch keinen Einfluss.[9]
Nach 1519 sind für die Untersuchung vor allem die Adelsakten der Reichskanzlei
in Betracht zu ziehen.
Betrachtet
man die Gratialakten der deutschen Kaiser von Karl V. bis Karl VI. im
Jahresdurchschnitt so fällt auf, dass die reinen Wappenverleihungen, einschließlich
der Wappenbestätigungen im 16. Jahrhundert ihren Höchststand erreichen und
danach ständig weniger werden. Im Gegensatz dazu sind die neuen
Adelsverleihungen bzw. Adelsbestätigungen, die noch im 16. Jahrhundert einen
Bruchteil der Wappenverleihungen ausmachen, jedoch ständig im Zunehmen
begriffen.[10]
In den Texten der Wappen- oder Adelsdiplome wird als Empfänger prinzipiell der Mann namentlich genannt. In den weiteren Textpassagen wird der Adel oder das Wappen an alle seine „ehelichen männlichen und weiblichen Leibeserben und derselben Erbens Erben“ verliehen - seine Ehefrau wird jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Obwohl die Ehefrau nicht eigens genannt ist, wurde der neue Stand des Ehemannes auch auf sie übertragen. Die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder führten alle den Titel und Wappen des Vaters, wie im Diplom ausgeführt. Diese Standesvorzüge blieben jedoch nur bei den Söhnen auf Dauer erhalten, da die Töchter bei ihrer späteren Heirat, Namen, Stand und Wappen des zukünftigen Ehegatten annahmen. Wappen
Holzhauser Maria von Horn Ein beispielhafter Fall ist das Gesuch des Konrad Dietz von Weidenberg, der Rat und Hofsekretär Kaiser Rudolfs II. war. Er hatte den Kaiser 1598 gebeten, seine Frau, die aus Füssen in Bayern stammende Bürgerstochter Maria Holzhauser, zusammen mit ihrer Schwester Regina in den Adelsstand mit dem Prädikat „von Horn“ zu erheben. [11] Das verliehene Wappen zeigt den lateinischen goldenen Buchstaben „H“ in einem von Silber und Blau gespaltener Schild. Das „H“ stellt die Initiale des Namens Holzhauser dar, als Erinnerung an den ehemaligen Familiennamen, der mit der Heirat des Konrad Dietz untergegangen war. Über dem Schild ein gekrönter Stechhelm auf dem sich ein silberner und blauer geschlossener Flug, belegt mit dem Buchstaben „H“ befindet, wie im Schild. Das verliehene Wappen an die beiden Frauen unterscheidet sich durch kein weiteres Merkmal von den sonstigen männlichen Wappenverleihungen dieser Zeit. Der Hauptgrund für die Nobilitierung dürfte im Wunsch des Hofsekretärs gelegen sein, schon mit einer adeligen Frau verheiratet zu sein, damit die aus der Ehe entstammenden Nachkommen bereits mit zwei adeligen Eltern geboren würden. Wappen
Dachsberg Anna Juliana In der Standeshierarchie höher angesiedelt ist die Erhebung der Anna Juliana von Fränking in den Grafenstand im 17. Jahrhundert. Sie war verwitwet und war im Begriffe den Ferdinand Lorenz Grafen von Wartenberg heiraten. Deshalb richteten sowohl ihr zukünftiger Gemahl, als auch sie selbst ein Gesuch an den Kaiser, doch noch vor der Hochzeit ihren einfachen Adelsstand in den Grafenstand zu verbessern, da sie nämlich eine geborene Freiin von Dachsberg sei. Zum Beweis legt sie die Abschrift einer Urkunde aus 1506 vor. Das alte Wappen: Gevierter Schild, in 1 und 4 in Rot ein steigender silberner Dachs, in zwei und drei in Schwarz ein schwarz-weiß-geschachter Pfahl. Die Helmzier: zwei offene Turnierhelme rechts mit einem roten Kardinalshut bedeckt, aus dem ein silberner Dachs wächst, links mit einem Wulst bedeckt, aus dem ein silberner Mannesrumpf wächst. Das gebesserte Grafenwappen enthält zusätzlich noch einen silbernen Herzschild mit einem schwarzen Doppeladler: Die Doppeladlerfigur wird im Oberwappen noch einmal wiederholt, nun aber aus einer goldenen Krone wachsend. Die Helmbekrönungen dieses Wappens sind überhaupt eine besondere Eigenheit, da sie drei verschiedene Helmbekrönungen aufweisen: der Helmwulst, die Krone und der Kardinalshut.[12] Kaiser
Karl V. und seine Schwestern Der
aus dem Siegelwesen herrührende Brauch, dass Frauen, so wie Geistliche,
spitzovale Siegel führen, dürfte auch auf die Gestaltung der weiblichen Wappen
übergegangen sein, dort wird es allerdings als Rautenschild geformt. Denn im
16. Jahrhundert hatte sich besonders in Frankreich, den Niederlanden und im
Rheinland, für unverheiratete Frauen der Rautenschild eingebürgert. [13]
Die Abbildungen zeigen den späteren Kaiser Karl V., als Zweijährigen mit
seinen Schwestern Eleonore und Isabella im Jahre 1502. Die drei Holztäfelchen,
oben mit den Wappen der Dargestellten. Das Wappen enthält jeweils die Felder:
Österreich, Brabant, Alt- und Neuburgund mit dem habsburgischen Löwen als
Herzschild. Ganz klar erkenntlich die Rautenwappen der beiden Mädchen, wobei
das Wappen ihres Vaters (Philipp I., der Schöne) auf der linken Schildhälfte
erscheint, die andere Seite jedoch leer bleibt. Das Wappen von Karl ist zusätzlich
von der Kette des Ordens vom Goldenen Vlies umkränzt und mit dem Erzherzogshut
bekrönt. Im deutschen Wappenwesen wurde der Rautenschild nicht aufgenommen,
nachweisbar ist nur ein vereinzelter Gebrauch dieser Schildform. Wie bei den bisherigen offiziellen Ausfertigungen der Reichskanzlei des 16. und 17. Jahrhunderts zu beobachten war, unterscheiden sich im deutschen Reich die weiblichen nicht von ihren männlichen Schilden. Ebenso wenig konnte der manchmal behauptete Brauch festgestellt werden, dass Frauen nur den Schild, ohne Helm oder Oberwappen, allein führten. Im 18. Jahrhundert beginnt jedoch in die Ausfertigungspraxis der kaiserlichen Kanzlei etwas Bewegung zu kommen. Wohl beeinflusst von der neu eingeführten Institution der Wappeninspektoren bzw. Wappenzensoren, wobei mit William O’Kelly im Jahre 1707 erstmals ein in heraldischen Dingen wissenschaftlich gebildeter Beamter angestellt wurde.[14] Schon bald nach seinem Amtsantritt wurde er auch mit Frauenwappen konfrontiert. Wappen
Brecher Anna Catharina Brecher, die in Leipzig in Sachsen wohnende Bürgerstochter, stammte zwar aus einer angesehenen Familie von Kauf- und Handelsleuten, wollte jedoch den adeligen Rittergutbesitzer Sigmund von Troschke heiraten. Deshalb richtete sie 1712 ein Gesuch an den Kaiser er möge sie doch in den Ritterstand mit dem Prädikat „von Rosenwerth“ erheben, damit sie ihrem künftigen Ehegatten ebenbürtig sei und ihre gemeinsamen Nachkommen bereits entsprechend standesgemäß ausgestattet sein würden. Sie brachte auch gleichzeitig ein Wappen in Vorschlag, das vom Wappeninspektor entsprechend beurteilt werden musste. Das Besondere daran war der Rautenschild, der hier zum ersten Mal offiziell verwendet worden war. Der von Gold und Silber gevierte Schild ist mit einem blauen Schrägbalken belegt. Der Schrägbalken ist in der Mitte mit einem roten Herz belegt, begleitet von zwei goldenen Sternen. Die beiden silbernen Felder sind mit je einer Rose belegt. Über dem Schild ein gekrönter Turnierhelm aus dem ein rotgekleideter Frauenrumpf wächst, auf dem Kopf mit drei Straußenfedern besteckt.[15] Wappen
Ellers Ein weiteres Rautenwappen stellt die Verleihung an die beiden Schwestern Anna Klara Christine und Theodora Katharina Ellers dar. Die Schwestern wollten 1715 von Kaiser Karl VI. eine Verbesserung ihres gesellschaftlichen Standes erreichen. Ihr Vater, ein verstorbener Rittmeister, der sich in Kämpfen gegen die Türken ausgezeichnet hatte, konnte selbst nicht mehr um Adelsverleihung ansuchen. Da ihnen selbst ein adeliges Gut in Holland mit Namen Sinderen gehörte, wollten sie durch Adelsverleihung ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt verbessern. Das verliehene Wappen aus dem Diplomkonzept zeigt die Arbeit des Wappeninspektors William O’Kelly. Das Wappen: in einem Rautenschild in Silber drei übereinander gestellte Sparren in den Farben rot-schwarz-rot. Über dem Schild ein Turnierhelm mit Helmwulst, besteckt mit einem offenen Adlerflug, rechts von Schwarz über Silber und links von Silber über Rot geteilt. Der Schild war offensichtlich nicht von Anfang an als Rautenschild konzipiert, wie an den Ausbesserungsspuren zu erkennen ist. Der Wappenmaler hatte gewohnheitsmäßig und schablonenhaft zuerst einen halbrunden „männlichen“ Schild entworfen. Dieser war dann durch den Wappeninspektor in einen Rautenschild umgewandelt worden.
Wappen
Berolt Rautenwappen für Frauen gab es offenbar nur auf Wunsch derer, die das Gesuch einbrachten, eine generelle Vergabe war nicht üblich. Maria Magdalena Berolt, die 1747 von Kaiser Franz I. aus dem bürgerlichen Stand in den einfachen Adelsstand erhoben werden wollte, schlug in ihrem Gesuch ein ganz gewöhnliches Wappen vor, ohne symbolischen Hinweis auf ihre Weiblichkeit: In einem von Gold über Schwarz gespaltenen Schild, rechts ein schwarzer Adler am Spalt, links ein silberner Bär. Über dem Schild ein gekrönter Turnierhelm aus dem der silberne Bär, wie im Schild, wächst.[16] Wappen
Junge Der Wappeninspektor der Reichskanzlei O’Kelly scheint weiters durch die Kreation eines neuen Wappenelements, mit dem auf den weiblichen Wappenträger Bezug genommen werden soll, hervorgetreten zu sein. Er wollte durch Verwendung einer Muschel mit einer Perle anstatt des über den Schild gestellten ritterlichen Helms, den weiblichen Charakter der Wappenträgerin für den Betrachter offen sichtlich machen. Er symbolisierte damit die Frau auf geradezu poetische Weise. Anders ist es nicht erklärlich, warum er der Johanna Viktoria Junge, die von Kaiser Karl VI. mit Diplom aus 1732 in den Adelsstand erhoben worden war, ein Wappen konstruierte und anstatt des Helms eine Muschel mit Perle verwendete. Johanna Viktoria Junge, Tochter des verstorbenen Stadtrichters und Handelsmanns von Littau in Böhmen hatte um Adelsverleihung angesucht, da ihrem Bruder schon 1721 diese Standeserhebung gewährt worden war. Offenbar wollte sie damit ihre Chancen am Heiratsmarkt erhöhen. Der Wappeninspektor erweiterte seinen sonstigen Prüfvermerk „Conforme est arti et statui nobilitationis“ (Der Kunst und dem Adelsstand gemäß) durch Hinzufügung der Worte „pro virgine“ (für die Jungfrau). Das Wappen wird wie folgt beschrieben: Ein gespaltener Rautenschild, rechts über einer Mauer ein seine Jungen mit seinem eigenen Blut nährender Pelikan, links ein natürlicher Weinstock mit einer Weintraube. Über dem Schild eine Muschel mit einer Perle, darüber ein Wulst, besteckt mit einem offenen Adlerflug, in der Mitte ein entblößter Unterarm eine Sichel haltend. Trotz Adelsstandes erhielt die Wappenträgerin keine Krone auf die Muschel gesetzt, offenbar aus optischen und konstruktiven Gründen, da ein Wulst besser auf die Muschel gepasst hatte.[17] Wappen
Hund Ein paar Jahre später verwendete Wappenzensor O’Kelly sein Muschelmotiv neuerlich, und zwar anlässlich der Adelsverleihung an Christiane Salome Hund im Jahre 1739. Christiane Hund war dem Rudolf Gottlob Freiherrn von Seiffertitz in Liebe zugetan und wollte ihn heiraten. Da Seiffertitz einer alten stiftsmäßigen Familie angehörte, richteten er und seine zukünftige Gemahlin ein Gesuch an Kaiser Karl VI., er möge sie in den Adelsstand erheben. Das verliehene Wappen zeigt einen aufrecht stehenden Hund mit rotem Halsband auf grünem Dreiberg in einem von Blau und Silber geteilten Schild in gewechselten Farben. Über dem Schild eine „frei offene Muschel“ mit einer weiß- oder silberfarbenen Perle. Die Formulierung „frei offene Muschel“ geht auf eine ähnliche Diktion wie bei sonstigen männlichen Adelsbriefen zurück, dort steht sonst immer „ein freier offener Turnier- oder Spangenhelm“. Aus der Muschel wächst der Hund, wie im Schild beschrieben. Der Hund ist offensichtlich eine Namensanspielung auf den Geburtsnamen der Wappenträgerin.[18] Wappen
Seyfert Die
Muschelfigur als Kennzeichen für Frauen-Wappen konnte noch ein weiteres Mal
festgestellt werden. Kaiser Karl VI. verlieh der Katharina Seyfert im Jahr 1740
den Adelsstand mit dem Prädikat „von Seyferhold“. Sie war die Braut des
Ludwig Ernst von Bibra, eines Mitglieds der fränkischen Reichsritterschaft, der
sie trotz ihrer bürgerlichen Herkunft geehelicht hatte. Nun bat er nachträglich
für seine Gemahlin um ein kaiserliches Adelsdiplom und eine Namensänderung auf
„von Seyferhold“, damit auch die mit ihr gezeugten Kinder bereits eine
adelige Mutter besäßen. Das Wappen zeigt eine Göppelschnittteilung, rechts in
Silber ein grüner Lorbeerkranz, links in Gold ein aus dem linken Rand
wachsender Biber, unten in Blau ein sechseckiger goldener Stern. Über dem
Schild eine weiße Muschel mit einer Perle, aus der der natürliche Biber wächst,
wie im Schild, einen grünen Lorbeerkranz in der rechten Pranke hochhaltend.[19]
Der Wappeninspektor William O’Kelly war im Jahr 1751 verstorben, seine Nachfolger griffen jedoch das von ihm entwickelte Muschelmotiv für Frauenwappen nicht mehr auf. Alle Kollegen, die ihm als Wappenzensoren nachfolgten gingen wieder auf die Zeit vor 1700 zurück und machten keine Unterscheidung mehr zwischen männlichen und weiblichen Wappen. König
Joseph II. und Prinzessin Josepha von Bayern 1763 Die Wappen der Gemahlinnen der Herrscher folgten dem Vorbild der übrigen Allianzwappen. Nur wenige Monate nachdem der Habsburger Josef II. im Jahre 1764 zum Römischen König gekrönt wurde, heiratete er die bayerische Prinzessin Maria Josefa (Tochter von Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, des Kaisers Karl VII.). Das nachfolgende Wappen zeigt das Allianzwappen des neu vermählten Königspaares: Einem goldenen von zwei Greifen als Schildhalter gehaltenen Schild ist ein einfacher Adler aufgelegt, der ein Allianzwappen als Brustschild trägt. Rechts das Wappen von Habsburg-Lothringen, links das Bayerische Wappen. Über dem Schild eine stilisierte Königskrone. Unter dem Schild die Insignien der höchsten zivilen Orden, des goldenen Vlieses, des St. Stephans-Ordens und des Sternkreuzordens.[20] Das Wappen kam allerdings kaum zur Anwendung, da Joseph II. schon ein Jahr später, 1765, zum Kaiser erhoben wurde und demzufolge das Wappen ebenfalls eine kaiserliche Besserung erfahren musste.
Im 19. Jahrhundert erhielt die Gemahlin Kaiser Franz Josefs I., Elisabeth, eine Tochter des Herzogs Max in Bayern ein eigenes Wappen: Im Herzschild des Doppeladlers erscheint neben dem genealogischen Wappen Habsburg-Lothringen das Stammwappen der Kaiserin, der bayerische Schild mit schräg liegenden blauen Rauten, Wecken genannt, im silbernen Feld. Szepter und Schwert, sowie der Reichsapfel, die Attribute der Herrschergewalt, sind im Wappen der Kaiserin bei Seite gelassen, ebenso fehlt die Ordenskette des goldenen Vlieses, da dieser Orden nur an männliche Personen verliehen wurde.[21]
Liebesknoten
und Witwenstrick Eine
Wappenfigur, die immer wieder in der Literatur genannt wird, sind die
sogenannten Liebesknoten, Liebesseile, oder auch Witwenstricke. Im Zusammenhang
mit Rautenschilden treten sie anstelle des Oberwappens auf und werden meistens
als verschlungene silberne Schnüre, die auch einzelne Knoten aufweisen können,
gezeichnet. Über die Entstehung und Verwendung gibt es unterschiedliche
Ansichten. Seyler hält sie für eine französische Mode, die im 17. Jahrhundert
für verwitwete Frauen erfunden, und in Deutschland rezipiert wurde. [22] Galbreath
hält die Liebesschnüre für eine Mode, die seit etwa 1500 für Wappen von
Witwen gepflegt wurde. [23]
Leonhard meint, dass die Liebesschnüre oder Liebesseile ausschließlich in der
Diplomheraldik Verwendung finden, und zwar für verheiratete Frauen mit Knoten,
bei verwitweten Frauen ohne Knoten. Eine am Schild angebrachte Schleife,
Rosengirlanden oder Blumenkränze umgeben die Wappen der noch nicht
verheirateten Töchter und der ledig gebliebenen Jungfrauen. [24]
Bei allen diesen Ausformungen handelt es sich nach unserer Ansicht um private
modische Kreationen, die viel mehr unter die Prachtstücke der Heraldik, also um
Verzierungen außerhalb des eigentlichen Wappenbereichs, zu zählen sind, wie
sie in der Kanzleiheraldik mehrfach erfunden wurden. Sie fanden überwiegend nur
in Frankreich und England Verbreitung, im Deutschen Reich traten sie nur
vereinzelt auf. 1806 war das Heilige Römische Reich zu Ende gegangen. Das zwei Jahr zuvor, 1804 gegründete Österreichische Kaisertum stand ganz in der heraldischen Tradition des alten Reiches und verwendete ebenfalls keine speziellen Wappenformen für weibliche Wappenträger.
Wappen
Brandhofen, Vorentwurf 1834
Wappen Brandhofen, endgültiges Wappen Die
wohl berühmteste bürgerliche Frau des 19. Jahrhunderts, die in den Genuss
einer Adelsverleihung kam war die Postmeisterstochter Anna Plochl, die 1829
Erzherzog Johann geheiratet hatte. Der Hochzeit war ein langes Hin und Her
vorangegangen, so wie bei allen morganatischen Ehen. Die Nachkommen mussten
freilich auf den Namen Habsburg verzichten, jedoch sollten sie wenigstens in den
Genuss einer Adelsverleihung kommen. Der erste Schritt war die Erhebung der bürgerlichen
Anna Plochl zur Freifrau von Brandhofen im Jahre 1834, wobei gleich zwei
Adelsstufen übersprungen wurden. Wappen
Werndl Zur
Zeit des Kaisertums Österreich gab es verschiedene Möglichkeiten für Frauen
den Adelsstand und damit ein Wappen zu erlangen. Sehr oft wurden Witwen nach
gefallenen oder verstorbenen Offizieren oder nach Staatsbeamten geadelt, wenn
der Verstorbene durch lange Dienstzeit oder durch den Besitz eines hohen Ordens
selbst Anspruch auf den Adel gehabt hätte. Manchmal wurden Mädchen, die einen
Adeligen standesgemäß heiraten wollten, vor der Hochzeit im Wege der Adoption
adelig. Es gab jedoch auch Fälle in denen bürgerliche Frauen, die adelig
geheiratet hatten, nachträglich geadelt wurden. Der reiche Gewehrfabrikant
Josef Werndl in Steyr in Oberösterreich war wiederholt mit hohen Orden
ausgezeichnet worden, mit denen der einfache Adelsstand verbunden gewesen wäre.
Werndl verzichtete jedoch darauf und wollte lieber der „bürgerliche
Waffenschmied“ bleiben. Seine beiden Töchter Anna und Karoline dagegen,
beanspruchten sehr wohl die Nobilitierung, da sie beide in Adelsfamilien
geheiratet hatten. Anna Werndl heiratete einen Grafen Lamberg und Karoline in 1.
Ehe den Freiherrn Mayer von Mayrau, und nach dessen Tod einen Freiherrn von
Imhof. [26]
Die ihnen verliehenen Wappen sind identisch: Ein in silbernem Feld hinter einer
Zinnenmauer hervor wachsender blau gekleideter Jüngling mit einem über den
Kopf erhobenen Schwert. Über dem Schild ein gekrönter Turnierhelm aus dem
zwischen einem rechts von Silber über Rot und links Gold über Blau geteilten
Adlerflug ein Jüngling hervor wächst wie im Schild. Helmdecken: rechts
rot-silbern, links blau-golden.[27]
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Untersuchungen über die Heraldik der Frauen im deutschen Reich und in der Habsburger-Monarchie nur sehr lückenhaft vorhanden sind. In der männerdominierten Welt des Adels und der Heraldik konnten sich Frauen nur sehr schwer durchsetzen. Die Versuche von Wappeninspektor William O’Kelly im 18. Jahrhundert den Frauen-Wappen eine eigene weibliche Note zu geben wurde nicht weiterverfolgt. Die in Westeuropa weit verbreiteten Rautenwappen für Frauen, ebenso wie die Witwenstricke oder Liebesseile kommen, im deutschen und österreichischen Raum nur vereinzelt vor. Es scheint so, dass diese speziellen weiblichen Wappenattribute nur im privaten Bereich Verwendung gefunden hätten, denn in den offiziellen Adels- und Wappenbriefen sind sie nicht zu finden. Das mag wohl auch der Grund sein, warum bis heute nur wenige Arbeiten zur weiblichen Heraldik erschienen sind. [1]
Manfred Asendorf,
Jens, Flemming, Achatz von Müller, Volker Ullrich: Geschichte. Lexikon der
wissenschaftlichen Grundbegriffe. Reinbek bei Hamburg 1994, S. 192 [2]
Andrea Stieldorf:
Rheinische Frauensiegel. Zur rechtlichen und sozialen Stellung weltlichen Frauen
im 13. und 14. Jahrhundert. (=Rheinisches Archiv. Veröffentlichungena des
Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn
142), Köln-Weimar-Wien 1999, S. 60f. [3]
Gustav A. Seyler:
Geschichte der Heraldik. Nürnberg 1885-1889, S. 292f. [4]
Tini Diederich:
Prolegomena zu einer neuen Siegel-Typologie. In: Archiv für Diplomatik
29(1983), S. 242-284, hier S. 261 [5]
Mit Ausnahme der
Hofpfalzgrafen. [6]
Alfred Anthony von
Siegenfeld: Die Wappenbriefe und Standeserhebungen des Römischen Königs
Ruprecht von der Pfalz mitgeteilt aus den Reichsregistratusbüchern im k.u.k.
Haus-, [7]
Alter Siebmacher II,
32 (Freiherrn und Herrn) [8]
Anthony, a.a.O., S. 418f. u. 424 [9]
Österreichisches
Staatsarchiv, Haus-, [10]
Erwin Riedenauer: Standeserhebungen für reichsstädtische Bürger 1519-1740. In:
Hellmuth Rössler: Deutsches Patriziat 1430-1740. Limburg / Lahn 1968, S. 27-98 [11]
Österreichisches
Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv (in Hinkunft: AVA), Reichsadelsstand
für Maria und Regina Holzhauser, datiert vom 18. Aug. 1598 [12]
AVA, Grafenstand für Anna Juliana Dachsberg, datiert vom 24. Jan. 1643 [13]
Seyler a.a.O., S. 680f., Abbildungen aus dem Ausstellungskatalog Karl V.,
Kunsthistorisches Museum, 2000, S. 130 [14]
Hanns Jäger-Sunstenau:
Die Wappenzensoren in den Hofkanzleien in Wien 1707-1918. In:
Genealogica et Heraldica, Report of the 16th International Congress of
Genealogica and Heraldic Scienes, [15]
AVA, Ritterstand für
Maria Katharina Brecher, mit „von Rosenwerth“, datiert vom 23. März 1712 [16]
AVA, Adelsstand für
Maria Magdalena Berolt, mit „von Beroltstein“, datiert vom 1. Okt. 1747 [17]
AVA, Adelsstand für
Johanna Viktoria Junge, datiert vom 9. Juli 1732 [18]
AVA, Adelsstand für
Christiane Salome Hund, datiert vom 17. Juni 1739 [19]
AVA, Adelsstand für
Katharina Seyfert, datiert vom 8. Feb. 1740 [20]
HHStA, Geheimes
Hofzahlamt 1, Konv. 26, fol. 9. Das auf dem Spruchband unter dem Wappen
angebrachte Datum „Josephus II. – Josepha 1765.23.Jan.“ stellt das Datum
der Hochzeit dar. [21]
Hugo Gerard Ströhl:
Oesterreichisch-Ungarische Wappenrolle. Wien 1900, Tafel I. [22]
Seyler, S. 681 [23]
D. L. Galbreath und Léon Jéquier: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990, S. 231
[24]
Walter Leonhard: Das
große Buch der Wappenkunst. Augsburg 1978, S. 33 [25]
Hanns Jäger-Sunstenau:
Das Wappen des Grafen von Meran. In: Wappen, Stammbaum und kein Ende. Wien-Köln-Graz
1986, S. 111-121, hier 112ff. Das Glück der morganatischen Ehe war vollkommen
als 1839 der sehnlichst erwartete Sohn Franz geboren wurde. Anna Plochl wurde
1834 von Kaiser Franz zur Freifrau von Brandhofen und 1850 von Kaiser Franz
Joseph zur Gräfin von Meran erhoben, nachdem ihrem Sohn und seinen Nachkommen
schon 1845 dieser Grafentitel zuteil geworden war. Der Name des Titels wurde von
dem 1844 erworbenen Schloss und Gut Schenna bei Meran abgeleitet. [26]
Rudolf
Granichstaedten-Czerva: Geadelte Frauen. In: Heraldisch Genealogische
Zeitschrift Adler 3(XVII) 1954, S. 104-106 [27]
AVA, Adelsstand für
Anna und Caroline Werndl, datiert vom 8.1.1903
|
|